Real virtuell

Das virtuelle Kraftwerk München

3. September 2013, 17:05 Uhr | Hagen Lang
Er sieht virtuelle Kraftwerke als Option, die Volatilität der erneuerbaren Energien zu managen: SWM-Geschäftsführer Versorgung und Technik Stephan Schwarz.
© Stadtwerke München

Die Stadtwerke München und Siemens haben ein virtuelles Kraftwerk realisiert, das dezentrale Energieerzeugungsanlagen mit den Anforderungen einer stabilen Stromversorgung kompatibel macht und den wirtschaftlichen Belangen der Betreiber Rechnung trägt.

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Die EEG-Reform kommt den Betreibern mittelgroßer Energieerzeugungsanlagen entgegen. Wer eine Solar-, Wasserkraft-, Wind-, Biogas-, BHKW- oder KWK-Anlage betreibt, für den lohnt sich die Prüfung der aktuellen Förderbedingungen. Sie wurden eigens angepasst, um die Marktintegration der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Eine - zuletzt allerdings wieder gekürzte - Managementprämie fördert die Direktvermarktung von Strom an der Energiebörse. Dazu kommt eine kleine Prämie pro kWh, die der Betreiber erhält, wenn seine Energieerzeugungsanlage fernsteuerbar ist. Schlussendlich finanziert die sogenannte Marktprämie die Differenz zwischen der bisherigen Einspeisevergütung und dem an der Strombörse erzielbaren Strompreis. Für Betreiber von PV-Anlagen lohnt es sich etwa, ab einer Leistung von 250 - 500 kW-Peak über einen Wechsel aus der EEG-Vergütung in die Prämien-begleitete Direktvermarktung nachzudenken.

Die intelligente Fernsteuerung und Koordinierung der dezentralen Stromerzeuger erlaubt es, sie gegenüber der Strombörse und der Stromnachfrageseite als größere Gesamtheit auftreten zu lassen. Aus vielen kleinen Kraftwerken wird ein großes »virtuelles« Kraftwerk. Damit kann die Sicherheit der Stromversorgung trotz des Volatilitätsmalus der erneuerbaren Energien durch ihren Einsatz gewährleistet werden.  

Die Stadtwerke München, Deutschlands größter kommunaler Stromversorger, und die Siemens AG, Infrastructure & Cities, betreiben seit einem Jahr gemeinsam in München ein solches virtuelles Kraftwerk. Hintergrund ist die »Ausbauoffensive Erneuerbare Energien« der Stadt, die bis 2025 ihren Stromverbrauch vollständig aus regenerativen Quellen erzeugen will. Für das virtuelle Kraftwerk München wurden zunächst sechs Blockheizkraftwerksmodule, fünf Wasserkraftanlagen und eine Windkraftanlage zu einem virtuellen Kraftwerksverbund zusammengeschaltet. Die Stadtwerke München bieten privaten Betreibern von regenerativen Energieerzeugungsanlagen, BHKWs, Notstromaggregaten sowie zeitlich flexiblen industriellen Verbrauchern, Wärmepumpen, Klima- und Kühlanlagen an, Kunden eines virtuellen Kraftwerks zu werden. Diese Kunden erwirtschaften Erlöse, indem sie über ihre Teilnahme am virtuellen Kraftwerk Regelleistung bereitstellen oder ihre Energie direkt am Spotmarkt der Leipziger Strombörse veräußern.  

Damit diese vielen kleineren, dezentralen und volatilen Energieerzeuger und Verbraucher in Form eines virtuellen Kraftwerks koordinierbar werden, bedarf es ausgeklügelter Steuerungsmechanismen. Grundlage für die zentrale Steuerung der Münchner dezentralen Anlagen in einem virtuellen Kraftwerksverbund ist DEMS, das Dezentrale Energiemanagementsystem von Siemens. Es liefert einerseits Prognosen für die regenerative Energieerzeugung und den Verbrauch, anhand derer »Fahrpläne« für den Einsatz der Erzeugungsanlagen erstellt werden. Mittels DEMS-Betriebsführungskomponente wird die Einhaltung dieser Fahrpläne überwacht. DEMS integriert Strom, Wärme, Kälte, Gas und andere Energieträger, sodass auf die volatile Einspeisung von Regenerativstrom etwa mit Wärmespeichern in KWK-Anlagen reagiert werden kann.

Jan Mrosik, CEO der Division Smart Grid im Siemens-Sektor Infrastructure & Cities, erklärt: »Wir sind in der Lage, ein virtuelles Kraftwerk als Kernkomponente eines Smart Grids so aufzubauen, dass es sowohl den Betreibern der eingebundenen dezentralen Erzeugungsanlagen als auch dem Energieversorger den größtmöglichen Nutzen bringt. Für kommunale Energieanbieter eröffnen virtuelle Kraftwerke neue Potenziale.«

Die bisherigen Erfahrungen der Stadt München sind positiv, sagt Stephan Schwarz, SWM Geschäftsführer Versorgung und Technik: »Den Anforderungen aus der energiewirtschaftlichen Praxis im Betrieb und in der Vermarktung hält das virtuelle Kraftwerk stand. Es ermöglicht den SWM eine zusätzliche Wertschöpfung, da es weitere Stromvermarktungsalternativen eröffnet, zum Beispiel an der Leipziger Strombörse EEX oder am Markt für Regelenergie. Die ersten positiven Erfahrungen ermuntern dazu, das virtuelle Kraftwerk durch Hinzunahme weiterer Stromerzeugungsanlagen und schaltbarer Stromverbraucher auszubauen. Langfristig eröffnen wir damit die Perspektive, den Versorgungsproblemen entgegenzuwirken, die mit der vermehrten Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen entstehen - ganz im Sinne eines Smart Grids.«


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