Energiewende-Finanzierung

Bürgerenergie - der »Hidden champion« der Energiewende vor dem Ende

10. Juli 2014, 11:25 Uhr | Hagen Lang
Die installierte Leistung erneuerbarer Energien Deutschlands ist zur Hälfte Bürgerenergie.
© trend:research

Bürgerenergie ist die stille Macht der Energiewende. Fast die Hälfte der installierten Leistung aller regenerativen Energien in Deutschland befindet sich in Bürgerhand. Der weitgehend unbekannte »Hidden champion« der Energiewende könnte jetzt durch Gesetzesnovellen gefährdet werden.

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33,5 GW oder 46,6 Prozent der 2012 in Deutschland installierten 72,9 GW Leistung erneuerbarer Energien sind in der Hand von Bürgerbeteiligungsmodellen. Den klassischen Energieversorgern gehören nur 9,1 GW (12,5 Prozent) und den institutionellen und strategischen Investoren 30,2 GW (41,5 Prozent), so das Ergebnis einer Studie des Marktforschungsinstitutes trend:research und der Leuphana Universität Lüneburg.

Kein Monopol, kein Großkonzern steht für die Energiewende. Sie ist ein »No-Name«-Produkt, gestemmt von einem Polypol, das aus Millionen von Bürgern besteht, die in unterschiedlichsten Organisations- und Beteiligungsformen den Ausbau der erneuerbaren Energieversorgung finanzieren. Genaue Zahlen kennt indes niemand, Schätzungen gehen davon aus, dass sich zwischen ein und drei Millionen Bürger an der Finanzierung erneuerbarer Energie-Projekte beteiligen. Als »Bürgerenergie« im weiteren Sinne definiert die trend:research-Studie Einzeleigentümer (auch Gewerbe und/oder Landwirte), Bürgerenergiegesellschaften und Bürgerbeteiligungen, die lokal und überregional, als Mehrheits- oder Minderheitsgesellschafter tätig sein können.

Mehr als die Hälfte der unter dem Begriff Bürgenergie zusammengefassten Energieprojekte wurden von Einzelpersonen finanziert.
Mehr als die Hälfte der unter dem Begriff Bürgenergie zusammengefassten Energieprojekte wurden von Einzelpersonen finanziert.
© trend:research

Am stärksten ist das finanzielle Bürger-Engagement bei der Onshore-Windenergie, sie ist zu 50,4 Prozent »Bürgerenergie«, gefolgt von der Photovoltaik (zu 48 Prozent in Bürgerbesitz) sowie der installierten Leistung Bioenergie (zu 42 Prozent Bürgerenergie). Allerdings deutet die Studie auf aktuell starke Veränderungen im Investitionsverhalten hin. 2012 erfolgten noch 47,6 Prozent der Investitionen in Bioenergie (Strom) durch energiebewegte Bürger, aber nur noch 30,4 Prozent der Investitionen in Photovoltaik und nur noch 26 Prozent der Investitionen in Onshore-Windenergie. Die Studienautoren sehen Anzeichen für eine »mögliche Verschiebung der Marktanteile zu Gunsten der institutionellen und strategischen Investoren in der Zukunft«.

Dem energetischen Bürgerengagement droht derzeit aus mehreren Richtungen Ungemach. In Folge des durch betrügerische Banken verursachten Finanzmarkt-Zusammenbruchs 2008 erließ die EU-Kommission die Richtlinie 2011/61/EU über »Alternative Investment Fonds-Manager» (AIFM-Richtlinie), die 2013 in Deutschland durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) in nationales Recht umgesetzt wurde. Zwar zielen die 355 Paragrafen des KAGB eigentlich nicht auf Bürgerenergieprojekte, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat zur Einordnung der Bürgerenergieprojekte unter das KAGB jedoch wenig hilfreich Stellung genommen. Unter »Bürgerenergieprojekt« versteht die BaFin kommunal oder regional organisierte Finanzierungs- und Betreiberprojekte dezentraler Energie- und Wärmeerzeugungsanlagen, integrierter Versorgungssysteme und Energieeinsparungsmaßnahmen.

In einem Schreiben zur Auslegung des Anwendungsbereiches schreibt die BaFin: »Handelt es sich dagegen beispielsweise um eine Energiegenossenschaft, deren Unternehmensgegenstand die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zur Erzeugung von Energien sowie auf den Absatz der gewonnenen Energien gerichtet ist und erhalten die Mitglieder vom Unternehmensgewinn eine Dividende auf ihre Einlage, könnte die Genossenschaft als Investmentvermögen einzuordnen sein, sofern sie die Anlage nicht selbst betreibt und damit nicht operativ tätig ist.«


  1. Bürgerenergie - der »Hidden champion« der Energiewende vor dem Ende
  2. Fällt die Gesellschaft in den Geltungsbereich des KAGB?

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