Dr. Roland Busch sieht Deutschland in einer guten Ausgangsposition, um von den vier Megatrends - Demographischer Wandel, Urbanisierung, Klimawandel und Globalisierung - profitieren zu können. Denn Deutschland sei in der Lage, Leitindustrien aufzubauen. Was ist dazu erforderlich?
Voraussetzung sei, dass ein Kernmarkt im Heimatland existiere. Ganz wichtig sei außerdem die Fertigung vor Ort, es komme auf die eigene Wertschöpfung an. Zudem seien unterstützende Funktionen nötig, um die Produktion zu stärken. Es muss also ein Netzwerk von Industrien existieren, die eine Leitindustrie beliefern.
Auch die anderen haben gute Ideen
Ein gutes Beispiel dafür ist die Automatisierungstechnik, die sich in Deutschland rund um den Werkzeugmaschinenbau seit den 50er-Jahren entwickelt hat. Und wieder ist ein Blick nach China lehrreich. Dort hat sich innerhalb von nur zehn Jahren aus einer Industrie, die sich weitgehend damit begnügt hatte, westliche Techniken zu kopieren und im heimischen Markt zu verkaufen, eine Leitindustrie entwickelt, die technisch an vorderster Front steht und jetzt etablierten Unternehmen in der westlichen Welt Marktanteile wegschnappt. Und das ausgerechnet in der Telekommunikationsinfrastruktur, wo sich amerikanische und europäische Unternehmen fast schon als unangreifbar gesehen hatten. Doch chinesische Firmen wie Huawei und ZTE haben gezeigt, wie es funktioniert, schnell eine Leitindustrie aufzubauen und davon zu profitieren.
Dieses Beispiel macht klar, wie wichtig es ist, Leitmärkte zu entwickeln, um künftig konkurrenzfähig zu bleiben. Aber, wie gesagt, Busch ist optimistisch, dass dies in Deutschland gelingen kann. Die deutsche Industrie muss ihre existierenden Stärken verteidigen, also von führenden Positionen aus handeln, etwa von der Automobilindustrie aus den Sektor der Elektromobilität zur Leitindustrie machen. »In Deutschland wird die E-Mobility in 10 bis 15 Jahren sehr relevant sein, in China extrem relevant«, erklärte auch Perdo Miguel Pires de Miranda in seinem Diskussionsbeitrag zum Thema Megacities.
Die in Deutschland ausgerufene Energiewende bringt die deutsche Industrie laut Busch in eine gute Ausgangsposition: »Energieeffizienz ist der größte Hebel, hier steckt ein riesengroßes Potenzial. Unser Know-how können wir, wenn wir es umsetzen, weltweit exportieren.« Hier verfüge Deutschland bereits über einen Kernmarkt. Kompetenzen und unterstützende Funktionen sind ebenfalls vorhanden, jetzt kommt es darauf an, das alles umzusetzen. Und zwar schnell. Deshalb versteht er so manche sich hinschleppende Diskussion hierzulande nicht. Intelligente Zähler? Wir müssten längst damit anfangen. Denn in den USA geschieht der Roll-out bereits, in China ebenfalls.
Die Verantwortung der Politik
Ein Blick in beide Länder zeigt für uns: Ganz ohne Politik geht es nicht, die Regulierungen müssen stimmen. Schon ein Blick über den Zaun zu unseren westlichen Nachbarn bestätigt das: In Frankreich hält Smart Metering jetzt in größerem Umfang Einzug. Der Vorteil dort: Es gibt nur einen Netzbetreiber, Frankreich ist eben zentralistisch organisiert. Im föderalen Deutschland kommt es um so mehr darauf an, nun die Rahmenbedingungen zu setzen, innerhalb derer die Leitindustrien rund um die Energieeffizienz entstehen können.
»Frankreich hat den Vorteil, dass es sehr umsetzungsstark ist und zielstrebig die Dinge voran treibt«, sagte Daniel Hager, Vorstandsvorsitzender der Hager SE in der Diskussionsrunde. In der Ingenieurstärke stünden sich beide Länder um nichts nach, aber Frankreich spiele die politische Klaviatur etwas besser und wisse, wie man die eigene Industrie global unterstütze.
Umgekehrt schauen Frankreich und die übrigen Länder - nicht nur Europas - sehr genau darauf, was Deutschland aus der Energiewende macht. Sie verfolgen das deutsche Treiben mit einer Mischung aus Bewunderung und Skepsis.