Die anfängliche Smart-Home-Euphorie vieler Versorger ist einer neuen Nachdenklichkeit gewichen. Im Rahmen der Panel-Diskussion auf dem 3. Energie&Technik Smart Home & Metering Summit diskutierten Experten, wie die Versorger die Chance, die Smart Home ihnen bietet, künftig nutzen können. Dass sich interessante Geschäftsmodelle umsetzen lassen, davon waren alle Teilnehmer überzeugt.
Zu viele unterschiedliche, oft proprietäre Techniken und Protokolle, der Aufbau von Inselsystemen, statt übergreifende Konzepte umzusetzen, sowie die daraus resultierende Verwirrung für den Endverbraucher: Diese Punkte werden häufig dafür verantwortlich gemacht, dass das Smart Home bisher noch auf seinen Durchbruch auf breiter Front wartet.
Mit Ansätzen auf unterschiedlichen Ebenen wie EEBus, Qivicon, OSGi und HGI konnte man über die letzte Zeit den Eindruck gewinnen, dass zumindest die Tür zu einer gewissen Konvergenz offen steht. Doch immer wieder tauchen neue Initiativen auf, wie kürzlich sogar die vom Qivicon-Initiator Telekom unterstützte DECT ULE, die den Trend zur Konvergenz doch wieder als frommen Wunsch erscheinen lassen. Lautet der Trend also doch wieder eher Divergenz statt Konvergenz?
»Die meisten Technologien haben durchaus ihre Berechtigung«, antwortet Til Landwehrmann von der EEBus Initiative. Die Systeme müssen ja unter sehr unterschiedlichen Bedingungen funktionieren, da ist es nur folgerichtig wenn auch unterschiedliche Techniken zum Zuge kommen. »Deshalb sehe ich die technologiegetriebenen Diskussionen für die Marktentwicklung insgesamt als eher schädlich an«, erklärt Landwehrmann weiter. »Wir müssen inhaltliche Diskussionen führen.«
Offene Systeme sind die Voraussetzung
Es komme doch jetzt vor allem darauf an, einen nachhaltigen Kundennutzen zu definieren, den Kunden also überzeugende Angebote zu machen. Das funktioniert seiner Meinung nach nur über offene Systeme: »Wir fokussieren uns auf die Spezifikation der Inhalte und wollen, dass die identischen Inhalte von möglichst vielen Partnern zur Verfügung gestellt werden und dass sie möglichst attraktive Geräte entwickeln. Mit EEbus in Kooperation mit Initiativen wie Qivicon, HGI und OSGi sehe ich Smart Home insgesamt auf einem guten Weg.«
Doch wer hat überhaupt Interesse daran, Smart-Home-Konzepte voran zu treiben? Neben Telekommunikationsunternehmen sind dies vor allem die Energieversorger, die großen EVUs genauso wie Stadtwerke unterschiedlicher Größe. »Sie sehen sich unter einem gewaltigen Druck. Die herkömmlichen Geschäftsmodelle werden in der neuen Energiewelt nicht mehr funktionieren«, sagt Dr. Bernd Kotschi von KOTSCHI CONSULTING.
Viele Versorger sehen hier durchaus Chancen, sind bereits vorgeprescht und haben Systeme entwickelt. Nicht wenige von ihnen sind damit allerdings erst mal auf die Nase gefallen, jetzt ist Ernüchterung auf breiter Front eingekehrt. »Die Systeme funktionieren alle noch nicht so, wie der Endanwender sich das wünschen würde«, bestätigt Dr. Thomas Goette, kaufmännischer Geschäftsführer von GreenPocket. Und vor allem: Die EVUs sind naturgemäß an langfristigen, über viele Jahre kalkulierbaren Geschäftsmodellen interessiert. »Genau das funktioniert mit Smart Home nicht, Smart Home ist im Moment noch eine große Wünsch-Dir-was-Kiste mit vielen Fragezeichen und einem hohen Risiko, Geld zu verbrennen.«
2013: die Phase der Ernüchterung
Nach der anfänglichen Euphorie haben viele Versorger dieses Jahr erst mal genutzt, um neu nachzudenken: Was brauchen sie tatsächlich für ihre Plattformen, um darauf ein funktionierendes Geschäftsmodell zu gründen? »Die Zeit des Hypes, wo alle wild mit den Flügeln schlugen, ist jetzt vorüber, die Versorger arbeiteten nun an fundierten Strategien, die auf die Ressourcen und Gegebenheiten des eigenen Unternehmens abgestimmt sind. Dieser Prozess kann durchaus auch noch das kommende Jahr bestimmen«, sagt Kotschi. Dass es Geschäftsmodelle in Verbindung mit Smart Home gebe, die für die Versorger relevant sind, darüber ist sich Dr. Kotschi allerdings sicher. Ähnlich beurteilt Thomas Götte die Situation: Nicht nur dass die EVUs über Plattformen, Standards und Produktgestaltung nachdenken, auch der Vertrieb muss neu aufgestellt werden. »Deshalb ist es jetzt sehr spannend, zu beobachten, welche Allianzen zustande kommen und wie Energieversorger ihre Produkte über offene Ökosysteme verkaufen können«, so Dr. Götte. »Es wird nicht nur den einen Weg geben, und es kommt darauf an, jetzt die Erfahrungen zu sammeln, um bereit zu sein, sobald der Markt kommt.«
Energiemanagement? Dafür fehlen die Tarife
Nun habe es die EVUs nicht gerade einfach, sich in diesem Markt zu positionieren. Sie verkaufen ja keine Waschmaschinen, und einfach Schaltelemente für den Smart-Home-Markt anzubieten, dürfte auch nicht die Lösung sein.
Was vor allem für die Themen nahe des Kerngeschäfts - Energiemanagement, Lastmanagement - erschwerend hinzukommt: Lastvariable Tarife und der dafür erforderliche regulatorische Rahmen fehlen in Deutschland noch. »Energiemanagement als Produkt zu verkaufen, ist damit also nicht möglich«, resümiert Landwehrmann. Die nordischen Länder seien da schon viel weiter. Variable Tarife mit teilweise sehr hohen Preisdifferenzen machten Energiemanagement sehr attraktiv - für Versorger wie für Kunden. In Deutschland sei das eher ein langfristiges Ziel - es werde aber kommen und dem ganzen Thema dann einen deutlichen Schub geben.