Andreas Umbach: Außerdem hat Tokyo Electric Power Company (TEPCO) mit Toshiba ein Abkommen geschlossen, in dessen Rahmen Toshiba als Systemintegrator in Japan ein Smart Grid aufbauen wird. Es geht zunächst um rund 5 Mio. Zählpunkte mit einem Potenzial von bis zu 25 Mio. Zählpunkten über die nächsten 10 Jahre. Damit handelt es sich um das derzeit größte Smart-Grid-Projekt der Welt. Die HF-Module, das gesamte Smart-Meter-Kommunikationssystem und das Meter-Data-Management-System wird Landis + Gyr liefern. Auch hier hat wieder unser offenes Gridstream-System eine große Rolle gespielt, auf dessen Basis sowohl Mesh-Funknetze als auch PLC- und die Datenübertragung über Mobilfunkstandards Einsatz finden kann.
War für den Erfolg in Japan nicht entscheidend, dass Landis + Gyr jetzt zu Toshiba gehört?
Wir haben uns ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit anderen Herstellern geliefert, die sich mit japanischen Firmen wie Mitsubishi, Panasonic und Hitachi zusammen getan hatten. Wir hatten also ähnliche Voraussetzungen. Außerdem gehört Landis + Gyr nur zu 60 Prozent zu Toshiba, den anderen Anteil hält mit 40 Prozent, die Innovation Network Corporation of Japan (INCJ) eine japanische »public-private« Investmentpartnerschaft.
Welche Auswirkungen hat die Übernahme im Jahr 2011 auf Landis+Gyr bisher gehabt?
Schon anlässlich der Übernahme hatten die neuen Investoren gesagt, dass Landis+Gyr wie bisher weiter geführt werden soll – und so ist es gekommen: Landis+Gyr bleibt als Einheit bestehen, das Management-Team ist nach wie vor dasselbe wie vor der Übernahme und auch an der Strategie von Landis+Gyr hat sich wenig geändert. Allerdings werden wir jetzt gemeinsam Technologien für den Aufbau des Smart Grids im Niederspannungsbereich entwickeln. Dazu zählen beispielsweise Datenkonzentratoren und die Steuerung von regelbaren Ortsnetztrafos. Außerdem arbeiten wir an Komponenten für die Integration der Ladeinfrastruktur für Elektroautos ins Niederspannungsnetz. Prototypen haben wir bereits entwickelt.
Was tut sich derzeit in Europa im Geschäft mit Zählern?
Im Moment leiden wir unter starken Verzögerungen. Das gilt genauso für Frankreich wie für Spanien und Deutschland. Überall sind die Roll-outs noch nicht gestartet, wir warten bereits seit mehreren Jahren auf die angekündigten Roll-outs. Aber wir müssen die Ressourcen vorhalten, das kostet uns ein Vermögen. Dabei gebe es gerade in Deutschland viel Potenzial durch den Anstieg der erneuerbaren Energien. In Europa benötigen wir dringend in sich konsistente Regularien, die die Rollen der Marktteilnehmer festlegen und es ihnen erlauben, von den Investitionen, die sie für den Aufbau eines Smart Grids aufwenden müssen, auch wirtschaftlich zu profitieren. Es wäre gut, das Ziel der EU – 80 Prozent der europäischen Haushalte sollen bis 2020 mit Smart Meters ausgestattet sein – ernst zu nehmen. Denn nur so kann ein Netz aufgebaut werden, das für den schnellen Anstieg der Einspeisung aus erneuerbaren Quellen gerüstet ist.
Wie schätzen sie die Situation nach Veröffentlichung der Kosten-Nutzen-Analyse ein, die Ernst & Young im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt hatte?
Wir sind damit nur halbglücklich. Einerseits gibt es mehr Klarheit, andererseits werden die Kleinkunden diskriminiert, denn sie erhalten nicht die Möglichkeit, beispielsweise ihre Waschmaschinen bei variablen Tarifen zu günstigen Kosten laufen zu lassen. In den USA erprobt British Gas derzeit sogar, den Kunden den Strom zu bestimmten Zeiten kostenlos anzubieten. Ohne den Einsatz von intelligenten Messstellen wäre so etwas in Deutschland von vorne herein nicht möglich, wer also nur über intelligente Zähler nach Definition der Kosten-Nutzen-Analyse verfügt, könnte von solchen Modellen nicht profitieren.
Viele Versorger beschäftigen sich mit dem Thema Smart Home, um den Endverbrauchern neben der Möglichkeit, Energie zu sparen, auch den Weg zu mehr Komfort und Sicherheit zu eröffnen. Will Landis+Gyr auch in den Smart-Home-Markt vorstoßen?
Wir sehen uns als Experten auf der Versorgerseite im Niederspannungsnetz. Hier bieten wir eine breite Palette von Produkten, von den Zählern und den Kommunikationsnetzen über Meter-Data-Management bis hin zu kompletten, schlüsselfertigen Advanced-Metering-Infrastrukturen und Dynamic-Load-Management reichen. Dazu gehören auch die Automatisierung von Ortsnetzstationen und die Steuerung von Straßenbeleuchtungen. Das Smart Home betrachten wir als einen Markt, auf dem andere Gesetze gelten. Deshalb wollen wir uns nicht verzetteln und werden keine Smart-Home-Produkte anbieten.
Auf welche Märkte konzentrieren sich Toshiba und Landis+Gyr künftig?
Gemeinsam wollen wir unsere jeweiligen Stärken bündeln. So bauen wir zusammen mit Toshiba ein Smart Grid Solution Center in Nürnberg auf, wo wir an Energy-Management-Systemen, der Integration der erneuerbaren Energien, Batteriespeichern, Demand-Response-Systemen sowie Messungen und Überwachung des Netzes arbeiten. Ein wichtiger Punkt ist auch, wie wir die Smart-Meter-Infrastrukturen, die bereits existieren oder gerade installiert werden, sinnvoll in diesen Systemen integrieren können, um die Netze optimal zu nutzen.
Insgesamt ist für uns interessant ist, wie sich Haushalte zu virtuellen Kraftwerken bündeln, wie sich Erzeugung und Bedarf anpassen und wie sich Lasten verschieben lassen. Das kann auf Basis von Tarifierungen oder von Angeboten geschehen, die die Versorger ihren Kunden machen. Im Aufbau solcher Systeme, die die Grundlagen bis hin zu Smart Cities schaffen, liegen unsere Kernkompetenzen. In diese Richtung wollen wir weiter expandieren.