Welche Arbeitsschritte finden an den ausländischen, etwa asiatischen Standorten von Varta statt?
Hier finden z.B. Arbeiten statt, die von der Komplexität und dem Volumen her nicht so gut für eine vollautomatische Produktion geeignet sind, wenn Kunden etwa Ableiter an ihren Zellen wünschen. Ferner werden dort auf kundenspezifische Anforderungen hin Batteriepacks gefertigt.
Der Markt für Hearables, der auf Lithium-Ionen-Zellen angewiesen ist, erfreut sich exorbitanter Steigerungsraten. Mit welchen Forecasts operieren Sie hier?
Wir gehen davon aus, dass der Markt für Hearables um 30 Prozent jährlich wächst. Wir wachsen allerdings deutlich schneller als der Markt und wollen das auch weiterhin tun. Selbstverständlich fließen in diese Forecasts die Erfahrungen ein, die wir mit realen Projekten sammeln. Unser Eindruck ist, dass alle Headset-Hersteller wachsen, der eine mehr, der andere weniger, das Wachstum ist generell sehr dynamisch. Gegenwärtig gehen 98 Prozent unserer kleinen CoinPower-Lithium-Ionen-Zellen in True-Wireless Bluetooth Headsets.
Es gab eine Übergangsphase, in der linker und rechter Ohrhörer noch durch ein Kabel verbunden waren, da sehen wir keine Projekte mehr. Außerdem werden immer mehr Funktionen integriert, wie Noise Cancelling, dessen erhöhten Stromverbrauch die Hersteller durch optimierte Elektronik kompensieren wollen, aber eben auch durch unsere verbesserten Zellen. Außerdem sollen die Geräte immer kleiner werden beziehungsweise bei gleicher Größe eine längere Laufzeit erreichen. Das geht nur mit verbesserter Kapazität der Zellen.
Ist der Konsumgüterbereich das einzige Segment, in dem die Umsätze wachsen? Wie sieht es im Bereich Healthcare aus?
Bei Hörgeräte-Batterien nimmt der Anteil der wieder aufladbaren Geräte kontinuierlich zu, und dafür werden immer kleinere Zellen benötigt. Wir haben mittlerweile ein Produktspektrum von einer sehr kleinen Zelle mit 6 mm Durchmesser und 5 mm Höhe mit 10 mAh bis zu einer Zelle mit 120 mAh mit einem Durchmesser von 16 mm und 5 mm Höhe. Den Trend zur Miniaturisierung erleben wir in allen Anwendungsbereichen. Es gibt z.B. winzige Insulinpumpen, die mit einem Klebe-Patch befestigt vom Patienten getragen werden, auch bei sportlichen Aktivitäten, die den Blutzuckerspiegel messen und je nachdem die nötige Menge Insulin automatisch dosieren. Die Anforderungen an die Batteriezellen sind dabei natürlich anders als im Entertainment-Bereich.
Inwiefern?
Hörgeräte-Hersteller wollen die Zelle im Allgemeinen fest verbauen, sie sind eventuell Technician replacable, aber kein Hersteller sieht vor, dass die Nutzer selber die Zelle wechseln können. Bei einer veranschlagten Lebensdauer dieser Geräte von ca. fünf Jahren möchten die Hersteller dann Zellen, die 1500 Ladezyklen mitmachen. Und das bieten wir auch problemlos. Das Entladen dieser Zellen findet meist zwischen 35 und 37 °C statt und man muss sehen, ob die Hörgeräte vielleicht drahtlos geladen werden. Dann ist von ca. 10 Kelvin Temperaturerhöhung auszugehen, das bringt die Schwierigkeit, dass in warmen Umgebungen die maximale Ladetemperatur von 45 °C erreicht wird und die Ladung unterbrochen werden muss.
Trade-offs gibt es also überall.
Ja, bei jeder Anwendung, z.B. können wir die Zellen auf Schnellladen hin optimieren, aber das bedeutet, dass man die Elektroden dünner machen muss, d.h. man hat mehr Stromsammler-Anteil, der zur Energiespeicherung nichts beiträgt. Das bedeutet, das verträgt sich nicht mit einer anderen Forderung unserer Kunden, der immer höheren Kapazität. Deshalb haben wir mit den Herstellern intelligente Ladeprotokolle entwickelt, mittels derer mehrstufig geladen wird.
Also ein ähnliches Thema wie beim Schnellladen von Autos?
Ja, Hearable-Hersteller haben Anforderungen wie, dass es nur ca. 10 bis 15 Minuten dauern darf, bis die Zellen für eine grundlegende Laufzeit, sagen wir zwei bis drei Stunden, geladen sind. Der Gedanke ist in etwa, dass während der Zeit, in der Nutzer beispielsweise ihre Sportkleidung und Schuhe anziehen, die Zellen für die Dauer der Sportaktivität aufgeladen sein müssen. Es unterscheiden sich die Vorgaben der Hersteller, aber die Forderung nach Schnellladefähigkeit für eine ausreichende Gerätegrundlaufzeit ist ähnlich. Laderaten von 2C sind hierbei gängig.
Sie gehen also mit den Herstellern gemeinsam in die Entwicklung?
Ja, wir haben weltweit mit allen namhaften Headset-Herstellern sogenannte Design-in-Verträge.
Weil die Batteriezelle quasi zum Teil des Gerätes wird?
Die Zellen müssen auf die Elektronik und die Elektronik auf die Zelle abgestimmt sein. Ein Beispiel dafür ist der neue Trend, dass Headset-Hersteller in ihrer Aufbewahrungsbox für Bluetooth-Ohrhörer einen größeren Lithium-Ionen-Akku verbauen, mit dem die Ohrhörer beim Transport nachgeladen werden. Das führt aber zu dem für deren Lebensdauer abträglichen Effekt, dass sie ständig vollgeladen sind. Wenn das Transport Case dann noch in der prallen Sonne liegt, geraten die Lithium-Ionen-Zellen unter Stress. Hier entwickeln wir beispielsweise gemeinsam mit den Herstellern intelligente Ladeverfahren, die genau auf die Zelle abgestimmt sind, sodass die Lebensdauer der Zelle nicht beeinträchtigt wird.