60 Jahre Fernsehprogramm

Von der Nipkow-Scheibe zum 3D-Fernseher

21. Juni 2012, 18:10 Uhr | Helmuth Lemme
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Das Farbfernsehen und die Anfänge des Flachbildschirms

Fast so alt wie das Fernsehen ist der Wunsch nach Farbwiedergabe. Bereits John Logie Baird setzte 1928 in eine in drei 120°-Segmente unterteilte Nipkow-Scheibe Farbfilter ein; das war sozusagen der erste Farbfernseher - mit gerade einmal 30 Zeilen.

Die eigentliche Entwicklung begann nach 1945. Die größte Herausforderung dabei: Man wollte die drei Farben nicht auf drei getrennten HF-Trägern übertragen, was zwar technisch relativ einfach gewesen wäre, aber enorm hohe Bandbreiten erfordert hätte. Alles sollte über einen Kanal laufen. In den USA koordinierte das National Television System Committee (NTSC) die Arbeiten, unabhängig davon entstand in Frankreich das SECAM-Verfahren (séquentiel couleur à mémoire). Beide hatten zunächst noch größere Mängel; für das erstere fanden Spötter schnell die Deutung „Never Twice the Same Color“.

Die entscheidende Weiterentwicklung gelang dann dem deutschen Pionier Walter Bruch bei Telefunken mit dem 1962 zum Patent angemeldeten PAL-System (Phase Alternating Line, Phasenwechsel je Zeile). Dieses konnte sich aber trotz Überlegenheit gegen die anderen nur teilweise durchsetzen; die Farbfernsehwelt blieb lange Zeit dreigeteilt. Erst sehr viel später kamen „intelligente“ Empfänger auf, die die Codierung automatisch umwandelten [1985/13/30]. Die Programmausstrahlung in Farbe begann in Deutschland am 25. 8. 1967. Die ersten Empfänger waren teuer und in der Farbqualität noch unbefriedigend, doch die wurde dank immer aufwendigerer Elektronik allmählich immer besser. Dazu trug die Ablösung der Röhren durch Transistoren und später ICs wesentlich bei.

Auch der nächste wichtige Schritt nach Einführung von PAL wurde hierzulande eingeleitet: digitale statt analoge Signalverarbeitung. Das erste Konzept entstand 1981, die Elektronik berichtete mehrfach darüber [1981/16/27, 1983/17/3, 1985/17/51, 1987/17/82]. Die konkrete Realisierung brauchte dann viele Jahre. Das Prinzip hat sich aber wegen seiner Vorteile schließlich durchgesetzt. Möglich war das nur mit einer Vielzahl von hochintegrierten Spezial-ICs.

Sieg des Flachbildschirms

Die Bildröhre ist nun ein überaus klobiges Bauelement, schwer und bruchempfindlich. Der Wunsch, den Fernseher bzw. Computermonitor flach zu machen, ist schon alt, seine Verwirklichung hat aber lange gedauert. Unübersehbar viele Ideen waren dazu aufgekommen; die meisten verschwanden schnell wieder in der Versenkung, da sie entweder in einer Massenfertigung nicht umsetzbar, in der Bildqualität zu schlecht oder ganz einfach zu teuer waren.

Zahllose Entwicklungen kamen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern. Die Elektronik hatte immer wieder Artikel darüber veröffentlicht. Viele waren flach gebaute Röhren, statt mit drei Kathoden mit sehr vielen, über die ganze Fläche verteilt.

Früher Plasma-Flachbildschirm, Universität Illinois 1981
Bild 4. Früher Plasma-Flachbildschirm, Universität Illinois 1981
© Wikipedia

Ein viel untersuchtes Prinzip waren Gasentladungs-Bildschirme. Die Grundidee, in den 60er Jahren in den USA erfunden, waren gekreuzte Elektrodenstreifen vorne und hinten, dazwischen Glimmstrecken. Die Farbe war zuerst Orange (Neon) oder Rot (mit Filterscheibe) (Bild 4). Viele Hersteller versuchten sich an Verbesserungen, u.a. Siemens [1982/14/79], AEG-Telefunken [1982/17/86], Thomson-CSF [1983/1/73] und weitere.

Keinem im Westen gelang es, das Prinzip konsequent bis zum Endkunden-tauglichen Produkt weiterzuentwickeln. Erst die Japaner schafften es, bald auch mit Farbdarstellung. Die Entladung erzeugt hier UV-Licht, das die RGB-Leuchtstoffe anregt. Die Plasmabildschirme kamen ab etwa 1987 auf den Markt - als großformatige Fernseher und Monitore. Der Rekord liegt heute bei über 150 Zoll (3,8 m) Diagonale.

Kleine Formate sind aus technischen Gründen nicht möglich, es sei denn, man reduziert die Pixelauflösung, was man aber nicht will. Die Pixelgröße muss ein bestimmtes Minimum haben. Deshalb ist kein Einsatz in Laptop-Computern möglich.

Immer wieder andere Technologien wurden auf Eignung untersucht, so z. B. die seit den 60er Jahren als Geräteanzeigen viel verwendeten Vakuum-Fluoreszenz-Displays. Sie wären für Computermonitore eventuell geeignet gewesen, aber für hochwertige Farbfernseher nicht; ihr Farbraum ist zu klein. Hoffnungen hatten auch die Elektrolumineszenz-Displays geweckt [1982/17/78, 1982/17/83, 1984/10/80, 1990/21/29]. Einfarbig gelbe Monitore hatten für einige Jahre einen gewissen Markterfolg, u. a. in den ICE-Zügen der ersten Generation und in medizinischen Geräten [1996/5/16]. Farbige sind nichts geworden, die Probleme mit dem blauen Leuchtstoff ließen sich nicht lösen. Versionen nur mit Rot und Grün und Mischfarbe Gelb waren der totale Flop.

Viel versprach man sich von den Feldemissions-Displays (FED), einer neuen Art von „Elektronenröhren“, statt mit Glühkathode mit kalter Feldemission aus mikrofeinen Spitzen [1991/13/40, 1995/6/104]. Sie benötigten eine Anodenspannung von mehreren 100 V. Weiße Monochrom-Bildschirme wurden einige Jahre lang immer wieder vorgeführt, farbige sind über Labormuster nicht hinausgekommen. Sony in Japan hatte eine Serienfertigung erwogen, aber dann doch nicht realisiert.

Das Prinzip, das schließlich den Sieg davontrug, waren die LCDs [1982/14/66]. In der Frühzeit ihrer Entwicklung (um 1968 bei RCA) war ihr Potenzial noch nicht entfernt abzusehen. Zuerst saßen sie nur in Kleingeräten wie Uhren,
Taschenrechnern, Digitalmessgeräten usw., mit direkt angesteuerten Einzelsegmenten. Die Matrix-Darstellung kam erst später auf. Je höher die Multiplexrate, desto schlechter wird der Kontrast. Mit der einfachen TN-Zelle (twisted nematic) ist nicht weit zu kommen.

Wesentlich besser sind die STN-Zelle (super twisted nematic; 1983 bei BBC in der Schweiz erfunden) und Weiterentwicklungen davon wie DSTN (Doppel-STN). Die Polarisationsebene des Lichtes wird hier beim Durchgang um einen größeren Winkel gedreht; die elektrisch-optische Kennlinie verläuft steiler, dadurch wird Matrixbetrieb mit höheren Multiplexraten möglich. Damit kam eine Bilddarstellung erstmals in Reichweite.

1982 stellte ein Leitartikel in der Elektronik die Frage: „Wann kommt der flache Farbbildschirm?“ [1982/17/3]. Er kam sehr bald. Die Qualität war zuerst noch mäßig, d. h., der Kontrast war gering, der Blickwinkel eng und die Ansprechzeit lang. Die erste Massenanwendung dieser Passiv-Matrix-Displays waren die Laptop-Computer, eine völlig neue Geräteklasse, die nicht gegen bestehende Konkurrenz ankämpfen musste. Der große Erfolg ließ die Hersteller immer neue, effizienter arbeitende Werke bauen, wodurch die Preise schnell sanken.

Den eigentlichen Durchbruch brachte dann die TFT-Technologie mit einem Dünnschicht-Transistor in jedem Pixel. Die Grundidee dafür war schon in den 70er Jahren bei RCA und Westinghouse aufgekommen, aber zunächst nicht realisierbar. Erste Labormuster entstanden auch in Europa. Den kommerziellen Erfolg schafften aber erst die Japaner. Die Bildqualität dieser „Aktiv-Matrix“-Displays ist erheblich besser: höherer Kontrast, breiterer Sichtwinkel, kürzere Ansprechzeit [1991/11/112, 1992/12/26].

Elektronik-Titel zum flach Bildschirm 1997, Nr. 21.
Bild 5. Elektronik-Titel zum flach Bildschirm 1997, Nr. 21.
© Elektronik

Der Einsatz begann zunächst in den hochwertigeren Laptops, dann immer mehr auch in stationären Computer-Monitoren, siehe Elektronik-Titel von 1997 [1997/21/40] in Bild 5. Ein flacher Bildschirm wurde sehr schnell zum Statussymbol; wer noch eine Röhrenkiste hatte, war altmodisch. Je weiter die Preise sanken, desto interessanter wurden die LCDs dann auch für Fernseher. Hier haben sie inzwischen den Plasma-Modellen den Rang abgelaufen [2007/2/35, 2009/4/65].

Im Jahr 2006 hat der Verkauf von flachen Fernsehern den von Röhrengeräten überholt. Inzwischen ist die Bildröhre so gut wie ausgestorben. Ihre zuletzt exzellente Bildqualität [1999/2/24] war gar nicht leicht einzuholen, doch mit hohem Aufwand, auch in der ansteuernden Elektronik, haben es die LCDs heute praktisch geschafft.

Die Idee, Displays mit (konventionellen anorganischen) LEDs aufzubauen, war nur bei Riesenformaten für Außenanwendungen realisierbar. Gute Chancen vor allem in Kleingeräten haben ihre organischen Verwandten, die OLEDs, erfunden 1987 bei Kodak und 1990 an der Universität Cambridge [2000/2/97]. Anfangs waren ihre Verfechter überaus euphorisch und sagten eine baldige Ablösung der LCDs voraus. Wegen technologischer Probleme setzte der Erfolg dann erst deutlich später ein [2004/20/86]. Solche Displays sitzen vor allem in Handys und MP3-Playern, wo sie Energie sparen. Erste OLED-Fernseher wurden auch schon vorgestellt, extrem flach und mit exzellenten Farben, allerdings mit Preisen für Snobs.


  1. Von der Nipkow-Scheibe zum 3D-Fernseher
  2. Das Farbfernsehen und die Anfänge des Flachbildschirms
  3. Alles weg nach Fernost

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