MEMS-Komponenten für die Gassensorik

Herzstück moderner Sensoren

8. Juli 2021, 11:00 Uhr | Von Martin Schädel, Steffen Biermann und Thomas Ortlepp.

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

MEMS-IR-Detektoren

Auf den ersten Blick ähnelt die Architektur aktueller MEMS-Thermopiles denen der IR-Strahler. Auch hier wird das aktive Gebiet in Form eines Membransystems in einem Siliziumrahmen aufgespannt. Das Detektionsprinzip basiert dabei auf Thermospannung, die sich zwischen warmen und kalten Seiten eines oder mehrerer Materialien ausbildet und durch den Seebeck-Effekt beschrieben werden kann. Eine gute Übersicht zu MEMS-Thermopiles kann in [6] gefunden werden. Bei der Wahl der Materialien müssen neben möglichst hohen Seebeck-Koeffizienten eine Reihe anderer Anforderungen berücksichtigt werden. Dazu zählen beispielsweise die während der weiteren Herstellungsschritte und im späteren Einsatz vorliegenden Temperaturen sowie die Kompatibilität und Reinheitsanforderungen der Halbleiterfertigungslinie. Ein häufig gewähltes Materialsystem ist aufgrund seiner hohen Kompatibilität polykristallines Silizium. Je nach Dotierung lassen sich hier Seebeck-Koeffizienten mit unterschiedlichen Vorzeichen einstellen, weshalb für höhere Ausgangsspannungen meist abwechselnde Dotierungen mit invertierten Heiß- und Kalt-Enden in Reihe verschaltet werden. Der spannungsverursachende thermische Unterschied entsteht durch die in den aktiven Gebieten absorbierte Infrarotstrahlung (Warm-Ende) und den thermisch gut angekoppelten Silizium-Trägerrahmen (Kalt-Ende).

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 Thermopile-Detektor mit Steuerschaltkreis und Referenztemperatursensor
Bild 5. Thermopile-Detektor mit Steuerschaltkreis und Referenztemperatursensor.
© CiS

Zur Kompensation von Temperaturänderungen der Umgebung dient ein zusätzlicher Temperatursensor im Bereich des Si-Rahmens oder Sockels. Ein Beispiel für einen Thermopile-Detektor mit Temperatursensor ist in Bild 5 gezeigt. Die erreichbare Dynamik geht auch hier mit der Wärmekapazität und dem Wärmetransport vom Warm-Ende zum Kalt-Ende einher und lässt sich über den Schichtaufbau und die Größe der Membran steuern. Das Absorptionsverhalten kann durch Anpassung des Schichtstapels sowie durch zusätzliche funktionale Beschichtungen spektral breitbandig oder anwendungsspezifisch verbessert werden. Das Selektieren von einzelnen, gasspezifischen Absorptionsbanden geschieht durch zusätzliche optische Filter, die als Fenstermaterial des späteren Packages eingesetzt werden. Meist handelt es sich dabei um dielektrische Schichten auf Silizium. Dabei ist es wie in Bild 6 möglich, mehrere individuell gefilterte Kanäle in einer Sensorbaugruppe zu platzieren und so mehrere Gase bzw. Referenzkanäle zu erfassen.

Gehaustes 4-Kanal-Thermopile mit individuellen optischen Filtern im TO-Package.
Bild 6. Gehaustes 4-Kanal-Thermopile mit individuellen optischen Filtern im TO-Package.
© Micro Hybrid

Der bei typischen Anwendungsszenarien erreichbare Temperaturunterschied beträgt nur wenige Kelvin oder weniger, die je nach Material der Thermoelemente zu einigen nV bis wenigen μV Thermospannungen führen. Um die Empfindlichkeit zu steigern und die Signale in einen komfortableren Messbereich zu verschieben, werden viele Thermoelemente auf dem Chip in Reihe geschaltet. So entstehen Spannungen von einigen mV/K. In diesem Fall wird von sogenannten Thermopiles oder auch Thermosäulen gesprochen. Mit steigender Anzahl an Thermosäulen pro Fläche steigt jedoch auch der elektrische Widerstand und das damit verbundene Nyquist-Rauschen der Ausgansspannung. Als bereinigtes Qualitätskriterium für die Bewertung der Empfindlichkeit wird darum meist die Noise Equivalent Power (NEP) oder die spezifische Detektivität D* verwendet, wobei natürlich auch andere Systemanforderungen wie beispielsweise der Eingangsbereich der eingesetzten Verstärkerschaltkreise berücksichtigt werden müssen.

Stand der Technik und Ausblick

Die Realisierung eines robusten und anwendungsspezifischen NDIR-Gassensors erfordert eine sorgfältige Auswahl aufeinander abgestimmter Komponenten. Dabei müssen alle Anforderungen vereint berücksichtigt werden. Um die Grenzen des technisch Möglichen bezüglich Nachweisgrenze oder Geschwindigkeit weiter zu verschieben, bedarf es neuer, auf diese Aufgabe spezialisierter Komponenten wie optimierte Strahler mit hoher Dynamik oder Thermopiles mit optimierter spektraler Empfindlichkeit.

Um die Akzeptanz weiter zu erhöhen und die Anwendungsfelder auszudehnen, wird neben der Verbesserung der Einzelkomponenten auch eine höhere Integrationsdichte verfolgt. Ein möglicher Ansatz ist es dabei, IR-Strahler, Messküvette, Detektoren und eine erste Stufe der Signalverarbeitung innerhalb eines gemeinsamen Packages zu platzieren und so im Nutzen herstellen zu können. Für besonders harsche Umgebungen kommen hierfür nur hochtemperaturstabile Materialien, wie Keramiken infrage. Im Rahmen des Verbundprojekts HIPS-VP3 (BMBF, Förderkennzeichen 03WKDG03A) werden hierfür aktuell neuartige Silizium-Keramikverbünde (SiCer) entwickelt.  

 

Quellenangaben/Literatur

[1] Hodgkinson, J.; Tatam, R.P.: Optical gas sensing: a review. Measurement
Science and Technology, Volume 24, Number 1, 2013.
[2] Quelle: Trabold, B.: Anwendung und Einsatz von CO2-Messtechnik in der Medizin, Präsentation auf MOEMS Workshop, CiS Forschungsinstitut 2019.
[3] Quelle: Wiegleb, G.: Gasmesstechnik in Theorie und Praxis. Springer, 2016.
[4] Eberhardt, A. et al.: Advanced white cell design for investigation of ethylene using a nondispersive infrared photometer. http://publica.fraunhofer.de/dokumente/N-461624.html
[5] Ji, X. et al.: A MEMS IR thermal source for NDIR gas sensors. 8. International Conference on Solid-State and Integrated Circuit Technology Proceedings, 2006,
pp. 620-622.
[6] Graf, A. et al.: Review of microma­chined thermopiles for infrared detection. Measurement Science and Technology, Volume 18, Number 7, 2007.

 

 

Die Autoren

 

 

 

 

Martin-Schädel von CiS Elektronik
Martin Schädel, CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik.
© CiS

Dr. Jörg Martin Schädel

studierte Technische Physik an der TU Ilmenau. Diplom und Promotion absolvierte er in der Photovoltaik- industrie. Seit 2012 ist Dr. Schädel am CiS Forschungsinstitut für Mikroelektronik in verschiedenen Themen und Funktionen im Gebiet mikrooptischer Sensoren beschäftigt und leitet seit 2019 das Geschäftsfeld MOEMS  (Mikrooptoelektro-mechanische Systeme).

Steffen-Biermann von CiS Elektronik
Steffen Biermann, CMOS IR.
© CiS

Steffen Biermann

ist seit 2011 Entwicklungsleiter der Firma Micro-Hybrid Electronic und seit 2017 gemeinsam mit Prof. T. Ortlepp Geschäftsführer der CMOS IR GmbH. Er studierte Elektrotechnik und Keramik an der Ingenieurschule Hermsdorf und weiterführend zum Diplom (FH) Technische Informatik/Automatisierungstechnik an der Hochschule Mittweida. 2007 kam er zu Micro-Hybrid Electronic und arbeitete im Bereich Infrarot-Messtechnik sowie Aufbau- und Verbindungstechnik in der Mikrosystemtechnik.

Thomas Ortlepp von CiS Elektronik
Thomas Ortlepp von CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik und CMOS IR.
© CiS

Prof. Dr. Thomas Ortlepp

studierte Mathematik und promovierte an der TU Ilmenau in Quantenelektronik. Nach seiner Habilitation auf dem Lehrgebiet Mikroelektronik forschte er an der University of California Berkeley. Im Jahr 2013 wechselte er an die CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik GmbH und übernahm 2015 die Geschäftsführung. Im gleichen Jahr wurde er von der Yokohama National University zum Distinguished Professor berufen. Er ist Mitbegründer und Vizepräsident des 2018 gegründeten MEMS Smart Sensor Institute in Nanjing, China.


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