5G-Campusnetze vs. drahtgebundene Netze

»Die Zukunft liegt in der Koexistenz«

26. August 2020, 8:59 Uhr | Andreas Knoll
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Wie könnte eine Arbeitsteilung aussehen?

Inwieweit werden sich dann 5G-Campusnetze auswirken auf die Rolle der etablierten Kommunikationsstandards, sprich: Industrial Ethernet, Standard-Ethernet-TCP/IP, die klassischen Feldbusse – oder auch IO-Link, wenn es um den Anschluss von Sensoren geht?

Hier müssen sich Unternehmen natürlich die Frage stellen, was sie in das Campusnetz hineinnehmen wollen und was sie so lassen wollen, wie es ist. In der Automatisierungstechnik sind die Anwendungen ja sehr langlebig. Zehn Jahre sind dort meist nur ein kleines Zeitfenster, viele Anwendungen leben weit darüber hinaus, und es gibt ja auch heute noch in vielen Anwendungen klassische Feldbusse, die technisch einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Insofern sind 5G-Campusnetze aus meiner Sicht erstmal für Anwendungen interessant, die neu entwickelt werden und sich nicht sinnvoll mit Kabeln lösen lassen, etwa autonome Roboter- oder Flurförderfahrzeuge.

Ich denke aber, dass sich konventionelle Feldbusse älterer Prägung schon durch ein 5G-Campusnetz ersetzen ließen, weil sie letztlich mit Latenzzeiten operieren, die weit oberhalb von 1 ms liegen. In den nächsten Jahren könnte es also eine Art Feldbus-Retrofitting geben, eine Tendenz weg von älteren, proprietären Feldbussen und hin zu 5G-Campusnetzen. Hierfür dürften in Zukunft auch entsprechende Produkte am Markt auftauchen.

IO-Link ist ein gutes Beispiel, speziell die weit verbreitete drahtgebundene Version. In diesem Anwendungsumfeld werden Sensoren auf den Markt kommen, die 5G-Funkfrequenzen nutzen, und dann hat IO-Link eben den großen Nachteil der aufwändigen Verkabelung. Aber auch hier gelten natürlich die Regeln der wirtschaftlichen Überlegung: Welche Kosten entstehen durch die Verkabelung von Sensoren mittels IO-Link und welche durch Kauf und Wechsel der Batterien drahtloser Sensoren? Letzteres hängt natürlich auch von der Batteriegröße und der übertragenen Datenmenge ab, aber ein batteriebetriebener 5G-Sensor funkt seine Daten sicherlich nicht 10 oder gar 15 Jahre lang mit ein und derselben Batterie. Und gerade wenn Zustandsdaten von einer Maschine mit einem batteriebetriebenen Sensor übertragen werden sollen, können die Datenmengen ja sehr groß sein.

Beim industriellen Ethernet gibt es ja neu das Thema Single-Pair Ethernet, das es durch kompaktere Kabel und Steckverbinder ermöglichen soll, direkt mit dem Ethernet bis hinunter zum Sensor zu gehen. Wie könnte dann, wenn ich einerseits ein 5G-Campusnetz und andererseits die neuen Möglichkeiten des Single-Pair Ethernet habe, eine Arbeitsteilung aussehen?

Wenn man sich über 5G-Campusnetze und generell über 5G in industriellen Anwendungen Gedanken macht, dann muss man sich natürlich vor Augen halten, dass andere Technologien ebenfalls weiterentwickelt werden. Ein Stichwort ist Single-Pair Ethernet. In der Vergangenheit wurde oft argumentiert, dass sich Ethernet nicht bis an den letzten Sensor heranführen lasse, weil Kostenaspekte dagegen sprächen: aufwändige Verkabelung, aufwändige Steckverbinder und Infrastrukturkomponenten, relativ kurze Segmentlängen von 100 m. Dieses Problem löst jetzt Single-Pair Ethernet: Die Verkabelung wird deutlich kostengünstiger, Power lässt sich über das Ethernet-Kabel übertragen – auch das ist ein wichtiger Aspekt, denn alle Geräte, die relativ viel Energie verbrauchen, benötigen ohnehin ein Kabel für die Spannungsversorgung. In diesem Fall hat es wenig Sinn, die Daten über 5G zu übertragen, sondern dann dürfte es die beste Idee sein, die Daten ebenfalls über das Kabel zu übertragen, das auch zur Spannungsversorgung genutzt wird. Bei Single-Pair Ethernet ist das ja letztlich nur ein Adernpaar.


  1. »Die Zukunft liegt in der Koexistenz«
  2. Wie könnte eine Arbeitsteilung aussehen?
  3. WiFi 6 und die Latenzzeiten ...

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu SSV Software Systems GmbH