Wie eingangs schon beschrieben, ist Konsumelektronik nicht auf Höchstleistung, sondern auf Kosten optimiert. Komplexe Diversitätsverfahren werden deshalb bei Low-End-Produkten nicht verwendet. Im Rahmen einer Forschungsarbeit an der FH Bochum wurde untersucht, ob es möglich ist, mit geringem Aufwand bestehende Funksysteme zu „industrialisieren“. Die Wahl fiel auf einen gängigen IEEE-802.15.4-Receiver der Firma Freescale (MC 13193), der typischerweise im ZigBee-Umfeld Verwendung findet. Gerade der aufstrebende Markt der Sensor-/Aktor-Netzwerke auf Basis der IEEE 802.15.4 PHY und MAC machen diese Technologie zu einer idealen, praxisrelevanten Plattform.
Um den Aufwand für ein reales Produkt in Grenzen zu halten, schieden aufgrund des komplexen Realsierungsaufwands die gewinnstarken EGC- (Equal Gain Combining) und MRC-Diversitätsverfahren (Maximum Ratio Combining) von vorneherein aus. Eine Phasen- und Symbolsynchronisation würde gerade bei der O-QPSK-Modulation nach dem Funkstandard IEEE 802.15.4 nicht unerhebliche Probleme bereiten. Insofern stellten Switched und Selection Combining (SEC) weitaus einfachere und kostengünstige Varianten der Antennendiversität dar, wobei mit SEC theoretisch ein höherer Prozessgewinn erreicht werden kann. Bild 4 zeigt als Beispiel ein solches Diversitätsmodul.
DSEC – Digitales Selection Combining
Typischerweise werden die Combining-Verfahren auf analoger Ebene umgesetzt. In dem speziellen Fall wurde auf Basis des Designs des ZigBee-Moduls der Firma Panasonic EuTC in Lüneburg ein Dreifach-Empfänger-Diversitätsmodul entwickelt, welches das Selction Combining auf digitaler Ebene realisiert. Hierdurch konnte das Hardware-Design des Receivers unverändert übernommen werden, und die Auswertung der Diversität erfolgt im Basisbandprozessor, der um eine Software Selection Combining Engine erweitert ist. Die digitale Realisierung ermöglicht auch den Verzicht auf eine analoge Signalstärkemessung, da der Transceiver MC 13193 nach der Demodulation des Signals den RSSI-Wert der Signalstärke zur Verfügung stellt.
Für einen möglichst hohen Gewinn ist es notwendig, dass die einzelnen Kanäle unkorreliert sind. Hierzu muss der optimale Abstand der Antennen zueinander ermittelt werden, der von verschiedensten Faktoren wie Trägerfrequenz und Eigenschaften reflektierender Umgebungsobjekte sowie anderen Einflussgrößen abhängig ist. Da eine empirische allgemeingültige Berechnung des Antennenabstandes nicht möglich ist, bedient man sich der Hilfe eines Kanalmodells. Unter Annahme keiner direkten Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger (NLOS), zahlreicher reflektierender, bewegter und unkorrelierter Objekte im Ausbreitungsfeld sowie weiterer Modellvereinfachung kann die Amplitudendynamik durch eine Rayleigh-Verteilung beschrieben werden.
Für einen derartigen Rayleigh-Kanal, der prinzipiell industrielle Umgebungen akzeptabel beschreibt, können die optimalen Antennenabstände für unkorrelierte Kanäle durch die modifizierte Besselfunktion 0-ter Ordnung beschrieben werden (Bild 5). Die Nullstellen der modifizierten Besselfunktion 0-ter Ordnung zeigen auf Antennenabstände bei Rayleigh-Kanälen, an denen keine Korrelation zwischen den Empfangssignalen unterschiedlicher Antennen vorliegt. Um den Aufbau möglichst kompakt zu halten, ist die erste Nullstelle mit einem Verhältnis d/λ = 0,382 die erste Wahl für den Antennenabstand. Um einen richtungsselektiven Empfang auszuschließen, wurde eine symmetrische Anordnung der drei Antennen im Abstand von 4,69 cm gewählt, was einer Systemabstimmung auf die Mittenfrequenz 2,45 GHz (IEEE 802.15.4 O-QPSK, Kanal 8) gleichkommt.
„Mehr Dampf“
Reichweitenprobleme versucht man mit verbesserten Empfindlichkeiten oder höheren Sendeleistungen in den Griff zu bekommen, wobei regulatorische Grenzen zu berücksichtigen sind. Ein gutes Beispiel hierfür findet sich bei den aktuellen Bluetooth-Chipsätzen „Bluecore 04“ vom Marktführer Cambridge Silicon Radio. CSR gibt eine Empfindlichkeit von –87 dBm an. Die Bluetooth-Spezifikation schreibt eine Empfindlichkeit von besser als –70 dBm vor. Industrielle Produkte, wie z.B. das industrielle Funkmodul BlueSy der Firma Lesswire (Bild 2) basiert auf dem Bluecore04 und hat durch eine LNA-Eingangsstufe (Low Noise Amplifier) eine Empfindlichkeit von typisch –94 dBm. Die um gut 6 dB höhere Empfindlichkeit alleine reicht schon für eine Vervierfachung der Reichweite bzw. für höhere Reserven bei einem ungünstigen Störumfeld. Vergleicht man diese Leistung mit einem typischen Konsumelektronik-Produkt mit gleichem CSR-Chipsatz, so geben die Hersteller typisch eine Empfindlichkeit von um die –80 dBm an. Eine höhere Empfindlichkeit von 14 dB sowie eine Sendeleistung von „echten“ 20 dB ergibt ein um 34 dB besseres Link-Budget im Vergleich zu den in Consumerprodukten üblichen Class-1-Modulen. Im Vergleich bedeutet das eine Reichweite von gut 500 m statt 10 m bei günstigen Bedingungen.