Bei Hochleistungssystemen, z.B. AdvancedTCA-Systemen, kommt die reine Luftkühlung an einen Punkt, wo ihr physikalische Grenzen gesetzt sind. Die heute vom Markt geforderten Systeme mit bis zu 450 W pro Slot können noch mit rein forcierter Luftkühlung betrieben werden. Weitere Leistungssteigerungen, die bereits prognostiziert werden, werden nach heutigem Stand der Dinge nicht mehr mit reiner Luftkühlung abgefangen werden können. Bei mehreren 10 kW pro Chassis und über 1 kW pro Board muss über alternative Kühlungsmöglichkeiten nachgedacht werden.
Die AdvancedTCA-Spezifikation schreibt eine maximale Umgebungstemperatur von +40 °C vor. Wenn beispielsweise die Klimaanlage ausfällt, darf es kurzzeitig (max. 72 Stunden) zu einer Temperaturerhöhung auf +55 °C kommen. Für elektronische Komponenten ist das aber eine lange Zeit, denn sie können nicht außerhalb ihres Temperaturbereiches betrieben werden. Daher muss man bei der Auslegung der Kühlung solcher Systeme grundsätzlich von einer Umgebungstemperatur von +55 °C ausgehen. Damit ergibt sich, inklusive einer maximalen Berührtemperatur am Lüftungsausgang und einigen anderen Parametern, ein maximales ΔT pro Slot von 10 K. Das ist nicht sehr viel, wenn man bedenkt, dass sich bei einer Verlustleistung von 450 W die Temperatur vom Lufteinlass in das Chassis bis zum Luftauslass nur um 10 K erhöhen darf.
Die Frage ist nun, wie man das ΔT vergrößern und damit größere Verlustleistungen abführen kann. Eine Lösung ist die Senkung der Umgebungstemperatur z.B. auf +25 °C, womit sich das maximale ΔT von 10 K um 30 K auf 40 K erhöht. Es ist also möglich, die vierfache Leistung im System zu kühlen. Erreicht werden kann dies durch einen zusätzlichen Luft/Wasser-Wärmetauscher (LWW) im Schrank; eventuell redundant ausgeführt, wenn die Systeme hochverfügbar sein müssen. Mit einem LWW der LHX-Serie (Bild 4) von Pentair mit einer entsprechenden Vorlauftemperatur können so mit heutiger Kühlung 1 bis 1,5 kW Verlustleistung pro Board abgeführt werden. Diese Technologie hat sich bereits bewährt und wird im Feld eingesetzt.
Denkbar sind auch Lösungen mit LWWs auf Systemebene und nicht auf Schrankebene oder die Kühlung von Hotspots direkt auf den Boards. Allerdings ist hier die Abschätzung zwischen Kosten und Nutzen ein Muss. Je mehr man im Detail kühlt, desto höher werden Komplexität und Kosten steigen. Beachten sollte man aber auch, dass zwar die Investitionskosten steigen, aber die Energiekosten im laufenden Betrieb niedriger sind. Heute kann man z.B. ein AdvancedTCA-System bereits mit einem Drittel oder Viertel der Lüfterleistung betreiben, wenn man zusätzlich ein LWW einsetzt.
Technische Herausforderung Conduction Cooling
Ein Trend, der neben der erhöhten Leistungsdichte die Kühlung beeinflusst, ist die Zunahme von Schutzanforderungen für die Elektronik. So muss beispielsweise der Schutz vor Servicepersonal (Berührschutz) und vor besonders rauen Umgebungseinflüssen gewährleistet sein. Hier wird die Elektronik häufig komplett gekapselt.
Trotzdem muss sie weiterhin gekühlt werden. Aber wo kein Wasser oder Staub eindringen kann, kann auch keine Luft eindringen und die Komponenten kühlen. Conduction Cooling ist eine Möglichkeit, bei solchen gekapselten Systemen die Wärme abzuführen. Inzwischen gibt es hierzu viele Patente und Patentanmeldungen. Auch die Clamshell-Technologie (Bild 5), die bei modularen Schroff-Systemen mit Conduction Cooling von Pentair bereits eingesetzt wird, gehört dazu. Ursprünglich wurden diese „Birther Wedgeloks“ oder „Calmark Cardloks“ entwickelt, um Module gegen Schock und Vibration zu schützen. Dabei war die Wärmeabfuhr nur ein Nebenprodukt. Durch konstruktive Änderungen und Anpassungen wird die Wärmeabfuhr nun mit zur Hauptaufgabe. Beim Conduction Cooling erfolgt der Wärmetransfer vom Hotspot über Metall bis zur Außenseite des Gehäuses. Die Herausforderung liegt nun im Übergang von Metall zur Luft. Hier gibt es verschiedene Konzepte, z.B. forcierte Luftkühlung. Hier werden die Kühlrippen an der Gehäuseaußenseite mit Lüftern angeblasen, oder es kommen wasserdurchflutete Platten an der Gehäuseaußenseite zum Einsatz. Noch effektiver lässt sich die Wärme an den Hotspots direkt mit wasserdurchfluteten Clamshells abführen. Will man das Thema Wasser an der Leiterplatte vermeiden, können auch andere, nichtleitende Flüssigkeiten verwendet werden. Diese haben zwar eine geringere Wärmeaufnahmefähigkeit als Wasser, aber eine wesentlich bessere als Luft. Mit Conduction Cooling können auch Hybridsysteme aufgebaut werden, bei denen ein Teil der Boards durch Luft und ein anderer per Conduction Cooling gekühlt wird. Letztendlich ist auch hier eine Abwägung von Kosten und Nutzen dringend zu empfehlen, da eine solche Lösung sich komplexer darstellt.
Luftkühlung reicht nicht immer
In einem kleinen Bereich, der nächsten Generation von AdvancedTCA mit 450 W pro Slot, befindet sich die Luftkühlung am oberen Limit. Dieser Bereich wird aber kontinuierlich größer werden. Hier wird die Luftkühlung immer stärker durch eine Flüssigkeitskühlung unterstützt werden – sowohl auf Schrank- als auch auf System- und Board-Ebene. Beim breiten Spektrum der Anwendungen steigt zwar die Leistungsdichte der Rechner und damit auch die Verlustleistung pro Volumen, aber hier kann man nach wie vor die Verlustleistungen mit adäquater Lüftung und Lüfterleistungen entsorgen. Wichtiger als bisher sind hier allerdings das Gehäusedesign, die Bestückung der Boards, die Anordnung der Boards im System und das Verschließen leerer Slots bzw. eine optimale Luftführung.
Der Autor
Dipl.-Ing. Christian Ganninger |
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studierte Elektrotechnik an der Fachhochschule Karlsruhe. Anschließend arbeitete er als Design Engineer Backplanes und Technical Coordinator Backplanes und später als Projektmanager Backplanes und Systeme in einer Firma, die 19-Zoll-Systeme und Backplanes entwickelt und produziert. Aktuell arbeitet er als Global Category Manager Systems bei der Pentair-Schroff GmbH in Straubenhardt. |
Christian.Ganninger@schroff.de