Interview mit Ralf Hellwig, RS Group

»Wir glauben an die Wichtigkeit der Human-Touch-Beziehung!«

21. Oktober 2024, 15:00 Uhr | Karin Zühlke
Ralf Hellwig, RS: »Das »Washing Machine Project« ist eine großartige Initiative, bei der wir zusammen mit einer Stiftung daran arbeiten, mechanische Waschmaschinen zu bauen, die in Entwicklungsländern eingesetzt werden.«
© RS Group

Der »Human Touch« spielt bei RS weiterhin eine große Rolle. Und das wird sich auch im KI-Zeitalter nicht ändern, sagt Ralf Hellwig, Managing Director DACH der RS Group.

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Warum das Distributionszentrum in Bad Hersfeld so gut ankommt, wie die Integration von Distrelec vorangeht und warum RS für einen guten Zweck Waschmaschinen zusammenbaut. 

Markt&Technik: Wie ordnen Sie die aktuelle Marktentwicklung in der Elektronikbranche ein?

Ralf Hellwig: Die Situation in der Elektronikbranche ist gemischt. Wir folgen im Elektroniksegment und allem, was als Peripherie dazu gehört, im Wesentlichen der allgemeinen Marktentwicklung. Während die Gesamtstimmung momentan eher verhalten ist, glauben wir, dass wir, ohne genaue Zahlen nennen zu können, vielleicht sogar ein kleines Stück Marktanteil gewinnen.

Welche Bereiche Ihres Unternehmens sehen Sie derzeit als am vielversprechendsten?

Besonders im Großkundenbereich sehen wir durchaus positive Entwicklungen. Bei den Ausschreibungen unserer Corporate Accounts können wir mit unserem Service und unserer Lieferfähigkeit sehr gut punkten.

Wie beeinflussen gesetzliche Vorgaben wie das EU-Recht die Ausschreibungen?

Die Unternehmen halten sich natürlich an EU-Recht und haben aber teils auch zusätzlich eigene Richtlinien für die Ausschreibungen. Oft werden bestehende Verträge regelmäßig überprüft, um sicherzustellen, dass alles den aktuellen Marktbedingungen entspricht. Das kann dazu führen, dass regelmäßig neue Anbieter ins Rennen kommen und bestehende Verträge neu verhandelt werden.

Wie schätzen Sie die Situation im Maschinenbau ein, insbesondere in Deutschland?

Der Maschinenbau in Deutschland hat in den letzten Jahren stark gelitten, unter anderem durch die Auswirkungen von Covid-19 und Störungen in den Lieferketten. Der Auftragseingang ist zurückgegangen, und die Investitionen sind gesenkt worden. Das bereitet mir langfristig Sorgen, vor allem wenn sowohl nationale als auch internationale Investitionen ausbleiben. Dennoch bleibt der Markt in Deutschland weiterhin bedeutend.

Wie steht es um die Lage in anderen Ländern wie der Schweiz oder Österreich?

Die Schweiz und Österreich sind hier etwas besser durch die Krise gekommen.

Die Schweiz hat bei unserem Unternehmen Distrelec eine starke Markenbekanntheit, die uns zugutekommt. Und Österreich hat sich anscheinend ein wenig früher vom deutschen Markt abgekoppelt.

A propos Distrelec: Wie läuft die Integration der beiden Marken in der DACH-Region?

Momentan laufen die beiden Marken parallel. Wir planen jedoch eine vollständige Integration bis Ende nächsten Jahres. Das Ziel ist, ein einheitliches Branding zu schaffen und die Kundenbasis besser zu bedienen, indem wir die Stärken beider Marken kombinieren.

Welche strategischen Schwerpunkte setzen Sie für die Zukunft?

Wir möchten uns stärker auf den MRO-Bereich konzentrieren, also auf alles, was für die tägliche Arbeit von Instandhaltern erforderlich ist. Das umfasst sowohl elektrische als auch mechanische Ersatzteile sowie Verbrauchsmaterialien. Zudem wollen wir uns auf Branchen mit höherer Resilienz fokussieren wie Lebensmittel- und Getränkeindustrie, Verpackung, Konsumgüter und Versorgungsunternehmen. Auch die Pharmazie sehen wir als einen stabilen Bereich.

Wie verteilt sich das Geschäft bei RS zwischen MRO und Elektronik?

Der Bereich Elektronik macht derzeit etwa 30 Prozent unseres Geschäfts aus. Der Instandhaltungs- und Industriebereich wächst schneller als das Elektroniksegment. Wir sehen jedoch auch weiterhin im Elektronikbereich gute Möglichkeiten, besonders bei kleineren Stückzahlen, wo wir uns von den großen Anbietern abheben können.

Washing Machine Project

Ein großes Thema, das RS wie viele andere Firmen beschäftigt, ist das Engagement in Sachen Nachhaltigkeit und ESG. In diesem Zusammenhang sehr spannend finde ich das sogenannte Washing Machine Project. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Das »Washing Machine Project« ist eine großartige Initiative, bei der wir zusammen mit einer Stiftung daran arbeiten, mechanische Waschmaschinen zu bauen, die in Entwicklungsländern eingesetzt werden. Diese Waschmaschinen sind keine normalen Geräte, sondern mechanische Modelle, die manuell betrieben werden können, was besonders in Regionen ohne zuverlässige Stromversorgung von Vorteil ist. Wir montieren diese Maschinen aus Einzelteilen, die uns geliefert werden, und stellen sie dann für den Versand bereit.

Wie unterstützt Ihr Unternehmen dieses Vorhaben konkret?

Wir unterstützen das Projekt auf zwei Arten: Erstens, indem wir wie gesagt die mechanischen Waschmaschinen aus Einzelkomponenten zusammenbauen und für den Versand vorbereiten. Zweitens, indem wir Spenden sammeln, die dem Projekt finanziell zugutekommen. Bis jetzt haben wir etwa 750.000 Pfund an Spenden gesammelt. Und wir hoffen, dass wir bis Ende des Finanzjahres die Millionengrenze überschreiten werden.

Das ist beeindruckend. Wie genau profitieren die Menschen in den Entwicklungsländern von diesen Maschinen?

Etwa 60 Prozent der Menschheit wäscht ihre Kleidung von Hand, was extrem zeitaufwendig und mühsam ist. Mit den mechanischen Waschmaschinen können die Menschen ihre Wäsche in viel kürzerer Zeit und mit weniger Wasser und Waschmittel reinigen. Das spart nicht nur Zeit, sondern verbessert auch die Lebensbedingungen erheblich, indem es den Menschen ermöglicht, ihre Zeit produktiver zu nutzen.

Aus dem ESG-Engagement von RS ist ein weiteres Projekt entwachsen: Das Better-World-Produkte-Programm, das kürzlich auch den Jurypreis »Distributor des Jahres, Kategorie Nachhaltigkeit« unserer Schwesterzeitschrift Elektronik gewonnen hat. Was genau steckt hinter dem Programm?

Unser Programm, das wir »Better World Product« nennen, ist darauf ausgelegt, Produkte nach Umweltkriterien zu bewerten. Wir arbeiten eng mit unseren Lieferanten und strategischen Partnern zusammen, um gemeinsam Produkte nach Kriterien wie Stromverbrauch des Produktes, Verbrauch während der Produktion etc. zu definieren. Diese Produkte werden dann von unabhängigen Institutionen zertifiziert, und Kunden können wählen, ob sie Standardprodukte oder die umweltfreundlichere Alternativen kaufen möchten. Wir haben bereits rund 30.000 Produkte in unserem Programm, die diese Kriterien erfüllen.

Das klingt nach einem fundamentalen Ansatz. Wie stellen Sie sicher, dass es sich nicht nur um Greenwashing handelt?

Unsere Zertifizierungsprozesse sind sehr streng, und wir verfolgen die Einhaltung der Standards kontinuierlich. Es geht uns schließlich nicht um Marketing, sondern darum, echte Umweltvorteile zu schaffen.

Wie setzen Sie die künstliche Intelligenz im Unternehmen ein?

Wir legen einerseits großen Wert auf Vorsicht, wenn es um die Nutzung öffentlicher AI-Plattformen geht. Wir vermeiden bewusst die Nutzung solcher Plattformen für geschäftskritische Daten oder interne Informationen.

Andererseits nutzen wir natürlich auch das technische Potenzial der KI; beispielsweise haben wir vor etwa einem halben Jahr eine neue, lernfähige Suchmaschine implementiert. Diese Suchmaschine hilft uns, die Anfragen unserer Kunden präziser zu bearbeiten. Die verschiedenen Begrifflichkeiten und Nummernkreise für Produkte erfordern eine sorgfältige Verwaltung. Unsere Suchmaschine ist darauf ausgelegt, diese Vielfalt zu berücksichtigen und zu verarbeiten. Mit mehr als 750.000 Produkten in unserem Lager und über 1 Million Artikeln in unseren Systemen ist es entscheidend, dass unsere Suchmaschine die Anfragen genau versteht und schnell passende Ergebnisse liefert. Das ist in der Tat eine Herausforderung. Aber die neue Software bewerkstelligt das mithilfe von KI-Mechanismen sehr gut. Sie lernt aus den Suchanfragen, wodurch die Trefferquote bei Suchanfragen deutlich steigt. Dies ermöglicht unseren Kunden, schneller und effizienter die gewünschten Produkte zu finden. Und das ist entscheidend.

Kann KI künftig auch eine Rolle bei der Kundenbetreuung spielen?

Wir glauben fest an die Wichtigkeit der Human-Touch-Beziehung. Das heißt, wir setzen auf einen Mix aus Außendienst und webbasiertem Support, um sicherzustellen, dass unsere Kunden die bestmögliche Betreuung erhalten. Besonders bei unseren größten Kunden legen wir großen Wert auf persönliche Betreuung.

Aber um auf Ihre vorherige Frage zurückzukommen: KI könnte in Zukunft bei der Qualifizierung der Kunden helfen, beispielsweise, dass ein Kunde, der sich bei uns neu anmeldet, adäquat qualifiziert und eingeordnet wird. Dies hilft uns, unsere Ressourcen effizient einzusetzen und sicherzustellen, dass wir die richtigen Kunden gezielt ansprechen.

Bad Hersfeld – Hub für Kontinentaleuropa

Lassen Sie uns einen Blick auf den Logistik-Hub Bad Hersfeld werfen. Zur Erläuterung für unsere Leser: Das neue große Distributionszentrum von RS am Standort Bad Hersfeld ist seit November 2021 in Betrieb. Das Novum war, dass Lieferanten direkt nach Bad Hersfeld liefern können und nicht mehr den Umweg über UK gehen müssen, dem Stammsitz der RS Group. Nicht zuletzt nach dem EU-Austritt Großbritanniens war das mit Herausforderungen behaftet. Wie ist der neue Logistik-Hub inzwischen gediehen?

Da sind wir auf einem sehr guten Weg. Immer mehr Lieferanten liefern ohne Umweg nach UK direkt nach Bad Hersfeld. Und das hat natürlich unmittelbare positive Auswirkungen auf unsere Lieferfähigkeit. Unser Cut-Off für Bestellungen liegt inzwischen bei 21 Uhr. Sprich, wenn die Bestellung bis 21 Uhr über einen unserer Kanäle eingeht, dann wird die Ware am gleichen Tag noch versendet und erreicht in 80 bis 90 Prozent den Kunden am nächsten Tag. Insbesondere im MRO-Segment ist das von großer Wichtigkeit. Denn wenn die Maschine steht, der Instandhalter nach einem Ersatzteil sucht und es bei uns – höchstwahrscheinlich – findet, muss das Teil dann auch so schnell wie möglich beim Kunden sein.

Und für uns ist Bad Hersfeld natürlich gleichzeitig auch ein repräsentatives Vorzeigeobjekt für unsere Kunden.

Und nicht zuletzt stärkt es den deutschen Standort?

Absolut. Man sieht das auch an den Zufriedenheitskennzahlen, die wir wöchentlich auswerten. Darin wird abgefragt, wie die Kunden unsere Services und uns einschätzen. Die Kunden nehmen wahr, dass unser Service-Niveau mit dem Ausbau von Bad Hersfeld noch weiter gestiegen ist.

Erfolgreich ist RS auch mit der Eigenmarke RS Pro. Warum kommt die so gut an bei den Kunden und wie hat man sich das Prinzip hinter der Marke vorzustellen?

Es ist uns sehr wichtig zu betonen, dass es sich bei RS Pro um keine Billigmarke handelt. Wir wollen nicht in einem Preiskampf konkurrieren, sondern bieten eine markengerechte Qualität, die in der Industrie als Alternative zu den etablierten Markenprodukten eingesetzt werden kann. Unsere Produkte decken einen großen Teil unseres Sortiments ab, und wir legen großen Wert auf hohe Lieferfähigkeit und ausreichende Lagerbestände. Dadurch können wir preislich etwas günstiger als die bekannten Markenprodukte sein, ohne an Qualität einzubüßen.

Wie messen Sie den Erfolg von RS Pro?

Die Entwicklung ist äußerst positiv, und RS Pro hat bereits einen erheblichen Anteil am Gesamtumsatz erreicht. Ebenso ist die Markenbekanntheit gestiegen. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die zeigt, dass unser Konzept funktioniert.

Die Distribution hat als Mittler zwischen Hersteller und Kunde keine leichte Stellung. Wie verargumentieren Sie den Nutzen der Distribution?

Der Nutzen der Distribution ist klar: Unsere Kunden, sei es ein Endkunde, ein Instandhalter oder ein Maschinenbetreiber, haben die Möglichkeit, Tausende von Produkten von verschiedenen Lieferanten aus einer Hand zu beziehen. Ein Maschinenbetreiber benötigt Ersatzteile, und diese muss er irgendwo herbekommen. Er hat drei Möglichkeiten: Entweder bezieht er die Ersatzteile direkt vom Maschinenhersteller, was oft sehr teuer ist, oder er kauft direkt von hunderten Herstellern der Ersatzteile, oder er geht über einen Distributor wie uns, der das gesamte Sortiment abdecken kann. Wir bieten nicht nur die Produkte, sondern auch die Logistik und die nötigen Services wie etwa Inventory-Solutions, E-Procurement oder Kalibrierungen an.

Wirtschaftliche Lage herausfordernd

Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Lage in den kommenden Monaten ein?

Die wirtschaftliche Lage bleibt herausfordernd. Der PMI ist wieder gesunken, und die Aussichten sind nicht besonders optimistisch. Ich glaube, dass wir noch etwa ein Jahr durch eine schwierige Phase gehen müssen. Diese Zeit wird die Spreu vom Weizen trennen, insbesondere, weil nicht alle Unternehmen in der Lage sein werden, über längere Zeit die Lagerbestände zu finanzieren. Eine Markt-Konsolidierung ist daher denkbar.

Interessanterweise gab es auf dem DACH-Markt bisher nur wenig Konsolidierung in der Distribution.

Derzeit ist es sowohl eine gute als auch eine schlechte Zeit für Akquisitionen. Die Preise sind relativ niedrig, weil die Ergebnisse der Unternehmen nicht besonders gut sind. Andererseits versuchen viele, vor allem privatwirtschaftliche Familienunternehmen, sich durch diese Zeit durchzukämpfen.

Was uns anbelangt: Wir sind gut aufgestellt und fokussieren uns auf die wichtigen Kunden und Branchen. Selbst wenn sich der Markt nicht so schnell erholt, gehe ich davon aus, dass wir Marktanteile gewinnen können.

 


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