Das vom FBDI erstellte XML-Format vereinfacht die Reach-Informationspflicht. Angenommen wurde es allerdings bislang nur spärlich. Woran liegt das? Eine Zwischenbilanz von Dr. Gerd Schulz, EPCOS.
Das REACH-System basiert auf dem Grundsatz der Eigenverantwortung der Industrie. Nach dem Prinzip »no data, no market« dürfen innerhalb des Geltungsbereiches nur noch chemische Stoffe in Verkehr gebracht werden, die vorher registriert worden sind. Jeder Hersteller oder Importeur, der seine Stoffe, die in den Geltungsbereich von REACH fallen, in Verkehr bringen will, muss für diese Stoffe eine eigene Registrierungsnummer besitzen.
Aber nicht nur der Hersteller oder Importeur von Stoffen hat Pflichten unter REACH, sondern auch jeder Lieferant von Erzeugnissen innerhalb der EU. Nach Artikel 33 muss der Kunde eines Lieferanten informiert werden, wenn ein Stoff der sog. Kandidatenliste im Produkt mit mehr als 0,1 Prozent enthalten ist. Um den Informationsaustausch zur Erfüllung des Artikels 33 der REACH-Verordnung zu vereinfachen, präsentierte der FBDI im Dezember vergangenen Jahres vor rund 50 Unternehmen den Entwurf eines entsprechenden Datenformats.
Zum »Feinschliff« dieses Datenformats definierten Vertreter aus zehn Unternehmen ein Optimum an Datenfeldern, durch die ein effizienter Datenaustausch und eine in Bezug auf das betroffene Produkt und darin enthaltenem »Kandidatenstoff« eindeutige Zuordnung sicher gestellt werden kann. Weiterhin wurde eine Anleitung zur Nutzung des Datenformats in der Lieferkette bereitgestellt. Eine führende Rolle in diesem Arbeitskreis übernahm EPCOS mit Dr. Gerd Schulz, Leiter des EPCOS Umweltreferats, der das Unternehmen auch im FED (Fachverband für Elektronik Design) und beim ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie) e.V. vertritt. Der Informionsaustausch nach Artikel 33 ist ein gemeinsames verbandübergreifendes Thema.
Herr Dr. Schulz, wie war die Ausgangssituion vor einem Jahr und wie sieht es heute aus?
Um Fehler, wie sie in der Kommunikation von Materialinformation unter RoHS begangen wurden – hier müssen wir die bereits vorhanden Informationen immer wieder und wieder in individuelle Erfassungssysteme eintragen – von vorneherein zu vermeiden, hat der FBDI mit seinem XML-basierenden Datenformat Hilfestellung angeboten. Die Informion nach Artikel 33(1) kann mit einem Minimum an Aufwand ausgetauscht werden.
Wie haben sich die Unternehmen zum XML-Tool geäußert? Wird es angenommen?
Ein Arbeitskreis aus 10 Unternehmen hat zum Jahreswechsel die Kriterien genau definiert, das Datenenform, die Art der Übermittlung und die Art der Inhalte. Zugleich wurden die Kunden der Hersteller schriftlich über das Tool informiert. EPCOS hat das Datenformat zur Information seiner Kunden genutzt. Unsere Kunden wurden schriftlich benachrichtigt und auf das Internet verwiesen, wo sich hinterlegte Detailinformation im FBDI-Format zur weiteren Verarbeitung befindet. Jeder Teilnehmer der Lieferkette muss letztendlich die Betroffenheit seines Produkts bewerten und ggf. seine Kunden unterrichten.
Erfüllen die Unternehmen ihre Informationspflicht?
Das Feedback, dass ich bisher bekommen haben, erweckt den Eindruck als wäre die Kommunikation der Elektro- und Elektronik-Lieferkette sehr zurückhaltend. Man muss tatsächlich überlegen, ob dieser Eindruck, die Informationskette laufe nicht so, wie es der Gesetzgeber initiieren wollte, berechtigt ist? Die Gründe dafür könnten von fehlendem Bewusstsein über fehlende interne und externe Kommunikation, mangelnder Kompetenz bis hin zur Unwissenheit reichen. Möglich wäre auch, dass Hersteller und Lieferanten andere Wege der Kommunikation gesucht haben. Der FBDI hat zwar ein Tool - ebenfalls in Abstimmung mit Herstellern und basierend auf einer Hilfestellung des BDI - erstellt und damit eine deutliche Erleichterung des Datentransfers angeboten, aber es ist eben ein Angebot und keine Verpflichtung. Wenn jemand einen anderen Weg beschreiten will, kann er dies tun. Wir stehen mit diesem Tool ja auch in gewisser Weise in Konkurrenz zu anderen Systemen, wie u.a. BOMCheck. Auch Probleme in der Handhabung des vorgeschlagenen Datenformats sollte man in Betracht ziehen. »Nobody is perfect« und daher kann auch an den Datenfeldern und Informationen noch einiges verbessert werden. Einige Anregungen gab es bereits. Was beispielsweise immer noch Probleme macht, ist die Zuordnung der Lieferantenteilenummer zur Materialnummer des Kunden und umgekehrt. Hier gibt es bezüglich des Dateneigners noch keine befriedigende und kostengünstige Lösung. Nachdenklich stimmt allerdings, dass man das Gefühl hat, es finde zu wenig Kommunikation statt. Aber vielleicht ist - zumindest bei den Bauelementeherstellern - ja kaum einer der Kandidatenstoffe relevant. Auch dies muss in Betracht gezogen werden.
Kann man auch bewusstes Schweigen vermuten?
Bestimmt haben Sie schon vom Greenpeace Rating der Elektroprodukte gehört. Es stuft bestimmte Unternehmen auf einer Skala von Rot nach Grün ein. Steckt nun ein SVHC in einem Produkt könnte dies eine Klassifizierung als »Bad Company« unterstützen - ein möglicher Imageverlust droht, den kein Unternehmen erleiden mag. Auch der Unterschied zwischen verbotenen Stoffen und Kandidatenstoffen scheint vielfach nicht klar zu sein. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen: Ein Kandidatenstoff ist KEIN verbotener Stoff, sondern er ist Teil einer Reihe von Stoffen, die zur Autorisierung vorgeschlagen werden können. Die ECHA (European Chemical Agency) hat ja bereits im Juni Vorschläge veröffentlicht. Ob Unternehmen, deren Produkt einen Kandidatenstoff enthält, dies als Makel empfinden und sie aus Angst vor einem etwaigen Imageverlust lieber schweigen als zu kommunizieren, mag man lediglich vermuten. Das Vorhandensein eines Kandidatenstoffs sollte man als Hersteller immer ernst nehmen, jedoch auch nicht angesichts der Präsenz in Hysterie verfallen. Wichtig ist den Umfang der Betroffenheit nüchtern zu analysieren, klar zu kommunizieren und letztendlich für Abhilfe zu sorgen. Dazu ist die gesamte E&E-Lieferkette aufgefordert. Diese ist dazu in der Lage, was sie nicht zuletzt mit der Umstellung der Produkte auf die Anforderung der RoHS klar bewiesen hat.
Wünschenswert wäre es allerdings und damit wären wir wieder am Anfang, man würde sich endlich auf eine einheitliche, effiziente und zielgerichtete Stoffdokumentation einigen. Durch Vielfalt und Individualität der Stoffinformationssysteme benötigen wir unverhältnismäßige Ressourcen und verursachen einen immensen Aufwand bei der Kommunikation. Diesen babylonischen Turm ein wenig abzubauen war und ist unsere Intention. Was wir uns wünschen ist ein wenig Aufgeschlossenheit und Bereitschaft aller Beteiligten mit in dieselbe Richtung zu gehen. Wir können etwas anbieten, die Chance ergreifen kann nur der Teilnehmer der Lieferkette. Unser Ziel ist herauszufinden, ob weiterer Handlungsbedarf besteht. Dazu werden wir jetzt die Datenlage objektiv prüfen müssen.