Carbon Border Adjustment Mechanism

»CBAM ist der richtige Weg, um CO2-Emissionen zu reduzieren«

12. August 2024, 16:00 Uhr | Iris Stroh
© NicoElNino/stock.adobe.com

CO2 ist ein Hauptverursacher des Klimawandels. Laut Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften) lag die CO2-Konzentration in den letzten 10.000 Jahren relativ stabil bei 250–275 ppm.

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Seit Beginn der industriellen Revolution Mitte des 18. Jahrhunderts und der damit verbundenen Nutzung fossiler Energieträger und der Landgewinnung durch Abholzung sind die Konzentrationen von CO2 und CH4 (Methan) weit über den natürlichen Schwankungsbereich der letzten 800.000 Jahre angestiegen. Jüngste Forschungsergebnisse deuten sogar darauf hin, dass vermutlich sogar in den letzten 3 Mio. Jahren die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre nie höher lag als heute. Und: »Die hohen CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre können langfristig Teile des Klimasystems destabilisieren und gravierende Folgen haben.«

Im Jahr 2021 hat die EU die Klimaneutralität, also bis 2050 keine Nettoemissionen mehr zu verursachen, rechtsverbindlich gemacht. Als Zwischenziel wurde eine Emissionsminderung von 55 Prozent bis 2030 festgelegt. Dieses Ziel von Null-Netto-Emissionen ist im Klimagesetz verankert. Der europäische Green Deal ist der Fahrplan für die EU, um bis 2050 klimaneutral zu werden.

Die konkreten Rechtsvorschriften, die Europa soweit bringen sollen, die Ziele des Green Deal umzusetzen, wurden im Paket »Fit für 55« festgelegt, das die EU im Jahr 2023 verabschiedete.

CBAM ist Teil von »Fit für 55«

CBAM steht für Carbon Border Adjustment Mechanism und ist Teil des europäischen Klimaschutzpakets »Fit for 55« und ergänzt den EU-Emissionshandel (EU-ETS 1). Der CO2-Grenzausgleich (CBAM) läuft bereits seit 2023 in einer Testphase und soll 2026 in Kraft treten. Mit CBAM soll gewährleistet werden, dass die CO2-Emissionen bestimmter energieintensiver Import-Produkte einen Preis bekommen und somit faire internationale Wettbewerbsbedingungen für heimische, energieintensive EU-Produkte möglich sind. Damit soll aber auch verhindert werden, dass Unternehmen auf die Idee kommen, mit ihren energieintensiven Produktionen in Regionen auszuwandern, in denen die CO2-Emissionen nicht bepreist werden.

Weltweit sind entsprechende Initiativen in Kanada, Großbritannien oder USA am Entstehen, Europa ist mit CBAM aber definitiv früh dran. Natürlich gibt es noch Kritikpunkte, beispielsweise ist auf der METEC-Website (International Metallurgical Trade Fair with Congresses) von Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung (WSM), zu lesen: »Der Klimazoll ist gut gedacht, aber schlecht gemacht. Er schützt die Grundstoffproduzenten, wird aber die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Exportaktivitäten vieler deutscher Industrien belasten. Und Produktionen aus der EU heraustreiben.«

Aber es gibt auch Experten, die der Meinung sind, dass CBAM ein guter Ansatz ist. Zwar heißt es beispielsweise bei KPMG: »Insbesondere für die Automobilhersteller (OEMs) bringen die noch nicht vollständig absehbaren CBAM-Effekte zusätzliche Unwägbarkeiten mit sich. Wichtig wird vor allem sein zu beobachten, wie sich der CBAM konkret auf die unterschiedlich spezialisierten Automobilzulieferer auswirkt und inwiefern sie die zusätzlich entstehenden Kosten an die OEMs weitergeben – denn die Rolle der Zulieferer im Automobilsektor ist inzwischen so bedeutend, dass sie in großen Teilen für den Autobau verantwortlich sind: Die ‚klassischen’ Autohersteller erstellen nur noch rund ein Viertel eines Autos selbst.« Es heißt aber auch: »Daher ist davon auszugehen, dass der CBAM die Transformation der Automobilindustrie hin zu emissionsärmeren Herstellungsmethoden und Technologien beschleunigen dürfte. Diese Umstellung ist zwar in der kurzen Frist kostenintensiv, langfristig werden sich die nachhaltigen Investitionen für die Autobauer aufgrund der Verteuerung von CO2-Emissionen allerdings durchaus lohnen können.«

Und auch McKinsey spricht von Chancen und Herausforderungen, die mit CBAM verbunden sind. Aber auch die Spezialisten von McKinsey betonen, dass ein OEM mit der richtigen Strategie mit CBAM Kosten einsparen kann. Peter Spiller, Partner und Leiter der »Sustainability in Operations Practice« bei McKinsey, betont: »Grundsätzlich gilt für jeden, der ernsthaft seine CO2-Emissionen reduzieren will, dass CBAM der richtige Weg ist.«

Die Anstrengungen müssen weiterlaufen

Dass die EU-Gesetzgebungen immer kritikwürdig ist, liegt nicht zuletzt daran, dass 27 Mitgliedsstaaten mit unterschiedlichen Interessen versuchen, einen Konsens zu finden – eine Alternative gibt es dennoch nicht. Dass der eine oder andere nicht ganz glücklich mit den Regelungen ist, folgt zwangsweise, und das durchaus berechtigt – das gehört dazu. Die neueste Forderung kommt von der Swiss Steel Group. Das Unternehmen ist von der Elektrolichtbogenofen-Route in der Stahlherstellung überzeugt. Die bisherige Hochofen-Route ist bekanntermaßen extrem energieintensiv, also auch mit erheblichen CO2-Emissionen verbunden. Aus der Sicht der Swiss Steel Group hat deshalb die Elektrolichtbogenofen-Route (EAF Electric Arc Furnace) in den letzten Jahren an Popularität gewonnen. Dieser Ansatz nutzt Elektrizität, um Stahl aus Schrott oder direkt reduziertem Eisen herzustellen, wodurch der CO2-Ausstoß drastisch verringert wird.

Aus der Sicht der Swiss Steel Group muss die Hochofen-Route diesen Weg noch gehen und benötigt dafür erhebliche Investitionen, die nur mit staatlicher Unterstützung machbar sind. Die Experten der Swiss Steel Group sind der Überzeugung, dass die angestrebte Methode im industriell großformatigen Ansatz noch nicht erprobt ist, und ob damit die erforderlichen Qualitäten zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden können, wird sich ihrer Meinung nach noch zeigen. Aber: In kleinerem Umfang, in den sogenannten Direktreduktionsanlagen, funktioniert es. Dieser Ansatz wird laut Swiss Steel Group wegen der enormen Kosten jedoch kaum angewandt.

Hier stellt sich aus der Sicht des Herstellers die Frage nach Wettbewerbsverzerrung. Swiss-Steel-Group-Orginalton: »Nachdem die Hochofenroute sehr hohe Subventionen erhält, um in die Lage versetzt zu werden, eine Technologie zu nutzen, die die Elektrolichtbogenofen-Route seit Langem erfolgreich nutzt, stellt sich die Frage nach dem Gleichgewicht. Auch die EAF-Route muss im Rahmen der Transformation erhebliche Kosten schultern, um weiter ihre herausragende Rolle in der CO2-Bilanz der Stahl herstellenden Unternehmen zu behalten und auszubauen und so ihren Beitrag zur Reduzierung von Emissionen zu leisten. Auch auf dieser Route darf und will man nicht stehen bleiben, und es muss die Frage erlaubt sein, warum seitens des Staates nicht gerade auch die gefördert werden, die technologisch die Nase vorne haben.«

Dass die Swiss Steel Group diese Frage stellt, liegt daran, dass das Unternehmen in seinen verschiedenen Werken (Schweiz, Deutschland, Frankreich, USA und Kanada) auf die Elektrolichtbogenofen-Route als Hauptproduktionsweg setzt. Durch den Einsatz von Elektrolichtbogenöfen in allen Werken kann die Swiss Steel Group erheblich Treibhausgasemissionen einsparen. Darüber hinaus betont das Unternehmen, dass dieser Prozess eine effiziente Nutzung von recyceltem Schrott als Rohstoff ermöglicht, was zur Kreislaufwirtschaft beiträgt und die Abhängigkeit von Eisenerz aus umweltschädlichem Tagebau reduziert. So wurden z. B. im Jahr 2022 von dem Unternehmen 2,0 Mio. Tonnen Schrott recycelt. Außerdem ermöglicht die Elektrolichtbogenofen-Route, dass Öfen abgeschaltet werden können, was dem immer stärker schwankenden Angebot an Energie entgegenkommt. Darüber hinaus betont die Swiss Steel Group, dass Schrott die Basis der Elektrolichtbogenofen-Route ist und damit ein sehr wichtiger und wertvoller Rohstoff. Stahl wird nicht verbraucht, sondern immer wieder neu genutzt. Die Kreislaufwirtschaft führt zu einer höheren Ressourceneffizienz. Swiss-Steel-Group-Originalton: »Es stellt sich daher die Frage, ob eine Region wie Europa nicht Schrottreserven genauso anlegt, wie wir es auch mit anderen systemrelevanten Rohstoffen tun. Dies wäre auch eine Antwort auf den steigenden Schrottbedarf in Europa und auf dem Weltmarkt und könnte zu etwas mehr Preisstabilität beitragen.«

Dabei kommt noch ein weiterer Aspekt zum Tragen: Schrott senkt den CO2-Footprint bei der Herstellung hochlegierter und rostfreier Stähle. Laut Swiss Steel Group findet zunehmend eine Abkehr von reinen Primärlegierungen wie Ferronickel, Ferromangan oder Ferromolybdän statt, hin zu von vornherein hochlegiertem Schrott. Gerade bei Hochleistungsstählen läge der Anteil der Legierungszuschläge bisweilen bei über 30 Prozent. Die sind wiederum in ihrer Beschaffung besonders Energie- und CO2-intensiv. Entsprechend bedeutsam wird es aus der Sicht der Swiss Steel Group, künftig vermehrt mit Qualitätsschrott anstelle von Reinmetallen zu legieren; der komplette Verzicht auf Primärlegierungen werde nicht funktionieren. Um trotzdem die Scope-3-Emissionen weiter zu senken, braucht es aus der Sicht der Swiss Steel Group sowohl metallurgischer als auch recyclingtechnischer Innovationen.

Die Swiss Steel Group verweist darauf, dass die Stahlwerke der Elektrolichtbogenofen-Route typischerweise den Energie-Mix aus ihrer jeweiligen Umgebung nutzen. Aber man sei auch in der Lage, ganz gezielt nur Strom aus regenerativen Energiequellen einzukaufen, was wiederum eine drastische Auswirkung auf den CO2-Footprint des Materials hat, das in diesen Stahlwerken hergestellt wird. So liegt z. B. die Qualität Green Steel Climate+ der Swiss Steel Group in ihrem CO2-Footprint bis zu 83 Prozent unter dem weltweiten Durchschnitt der Stahlerzeugung. In Anbetracht von CBAM dürfte das ein interessantes Angebot sein. Wie sich mit CBAM Geld sparen lässt, können Sie auch ab Seite 26 in unserem E-Paper der Markt&Technik lesen.


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