Ein weiterer Vorteil der Bildverarbeitung gegenüber alternativen Ortungstechnologien betrifft die Bandbreite. Bei Ultraschall beziehungsweise RFID müsste jedes Objekt über ein Signal individuell erfasst werden. So stände die notwendige Bandbreite zur Übertragung und Verarbeitung der Informationen im direkten Verhältnis zur Anzahl der Objekte, die sich gerade auf der Tischoberfläche befinden. Die verfügbare Bandbreite würde also unter Umständen der Anzahl der Bedienelemente eine Grenze setzen, die vom System gleichzeitig erfasst und verarbeitet werden können. Nicht so mit der Bildverarbeitung: Die Kamera erfasst ein Gesamtbild der Oberfläche mit einer bestimmten Bildrate. Dabei ist es für die Datenübertragung irrelevant, wie viele Objekte und Symbole sich in diesem Bild befinden.
Und last but not least ist das Bildverarbeitungssystem in der Lage, nicht nur die symboltragenden Objekte zu erkennen, sondern auch den Finger des Künstlers, der somit per Berührung der Tischoberfläche Einstellungen verändern kann. Dies erlaubt mehr Gestaltungsfreiheit für den Künstler und macht die Interaktion zwischen Mensch und Instrument intuitiver.
Das Auge des Reactable
Die kritischen Parameter bei der Umsetzung waren die Bildübertragungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit sowie die geforderte Unempfindlichkeit der Kamera für störende Umgebungslichtverhältnisse, da das Instrument blitzschnell auf Befehle des Musikers reagieren muss – zumal wenn es mit einer Band synchron gespielt werden soll.
Das Reactable-Team nutzt die Digitalkamera „Guppy F-046b“ von Allied Vision Technologies, die mit einem 0,5-Zoll-CCD-Sensor von Sony ausgestattet ist. Für die Applikation besonders wichtig sind kurze Verschlusszeiten, weil die Bewegungen der Objekte auf der Tischplatte bei zu lange belichteten Bildern zu störender Unschärfe beziehungsweise Bewegungs-Artefakten führen könnten. Die Guppy-Kamera mit ihrer minimalen Verschlusszeit von weniger als 50 μs liefert gestochen scharfe Bilder, die das System problemlos auswerten kann. Für eine schnelle Datenübertragung und kurze Reaktionszeiten sorgt eine digitale IEEE1394a-Schnittstelle (Firewire), die eine Bildrate von knapp 60 Frames pro Sekunde in VGA-Auflösung ermöglicht.
Aufgrund der kleinen Maße des Tisches beträgt die Entfernung zwischen Kamera und Tischplatte lediglich 90 cm. Deshalb wurde die Kamera mit einem 4,5-mm-Weitwinkelobjektiv kombiniert, um trotz des geringen Abstandes die gesamte Oberfläche des Tisches erfassen zu können. Die Kamera ist zudem mit einem Infrarotfilter (IR-pass) ausgestattet, da die Schwarzweiß-Symbole unter den Steuerungsobjekten mit für das menschliche Auge unsichtbarem Infrarotlicht beleuchtet werden. Ziel ist es, diejenigen Informationen aus dem sichtbaren Spektrum herauszufiltern, die die Auswertung des Bildes stören würden – zum Beispiel Reflexionen vom Tageslicht oder aber vor allem die vom Reactable selbst auf die Tischplatte rückprojizierten Grafiken.
![]() | Horst Mattfeldt ist Technical Director bei Allied Vision Technologies in Stadtroda. |