Rahman Jamal geht davon aus, dass die SPS weiterleben, aber neue Aufgaben übernehmen wird: »Schon jetzt sehen wir einen Bedarf an Systemen mit Smart-Edge-Architektur in der Produktion«, sagt er. »Zudem zeigt sich bereits ein Wandel in der Steuerungstechnik mit klassischen SPSen: Die SPSen sind weniger für die Steuerung zuständig und entwickeln sich mehr in Richtung Smart-Edge-Messtechnik. Aufgaben wie Bildverarbeitung oder Datenauswertung werden direkt am ‚Edge‘ erledigt. Industrielle Systeme und Maschinen werden immer komplexer und umfassen oft einige unabhängige Subsysteme für ganz bestimmte Aufgaben wie die Bildverarbeitung, die Motorsteuerung und die Mensch-Maschine-Schnittstelle. Ein solches Umfeld erfordert künftig Controller, die einen zentralisierten Ansatz verfolgen und neben Steuerungs- und Regelungsfunktionen auch viele dieser Aufgaben oder gar alle erledigen.«
Sind Edge Controller zu harter Echtzeit fähig?
Harte Echtzeit mit Determinismus unter 1 ms ist die Domäne der klassischen SPS. Haben aktuelle Edge Controller hier eine Chance? Alexander Bergner zufolge schon: »Mit aktueller Virtualisierungstechnik sind Zykluszeiten von 1 ms problemlos erreichbar«, führt er aus. »Es ist daher durchaus realistisch, dass in Zukunft Motion-Control-Aufgaben von Edge Controllern übernommen werden.« Dr. Bernhard Quendt ist hier skeptisch und verweist auf den Echtzeitvorsprung der SPS als künftigem Edge Controller: »Ob Edge Controller zu harter Echtzeit fähig sind, hängt vom Hersteller ab«, sagt er.
»Heutige Edge Controller können dies oft nicht leisten, weil sie normalerweise von Unternehmen kommen, die sich bisher mit reiner Datenverarbeitung beschäftigt haben, bei der keine Korrelation mit der physischen Welt gegeben und harte Echtzeit selten gefordert war. Wie schon gesagt, lässt sich die SPS relativ einfach zu einem Edge Controller erweitern und behält dabei ihre Fähigkeit zu harter Echtzeit ohne Abstriche. Soll ein bisheriger Edge Controller hingegen sukzessive echtzeitfähig werden, muss neben der reinen Technik auch das Branchenwissen adaptiert werden, weil die SPS heutzutage den Standard der Fabrik- oder Prozessautomatisierung darstellt.«
Welche Programmiersprachen für Edge Controller?
Ähnlich wie die Zukunft der SPS insgesamt dürfte sich auch die Zukunft der aus der SPS-Welt bekannten IEC-61131-Programmiersprachen gestalten. Alexander Bergner sieht die künftige SPS als Software-Funktion des Edge Controller: » Edge Controller brechen nicht mit den bekannten Steuerungskonzepten«, führt er aus. »Die SPS ist eine Anwendung auf einem Edge Controller wie andere auch – allerdings mit erhöhten Anforderungen an die Echtzeitfähigkeit des Systems. Insofern lassen sich Edge Controller wie bisher mit den bekannten IEC-61131-Sprachen programmieren. Daneben sind natürlich auch andere Konzepte denkbar – von Matlab bis C#.« Die Flexibilität der Edge Controller werde hier dazu führen, dass sich Anwender leichter zwischen Alternativen entscheiden können. Daher werde die Vielfalt an verwendeten Programmiersprachen voraussichtlich steigen. Auch aus Sicht von Dr. Bernhard Quendt wird es künftig zwei Sprachwelten geben: »Die zukünftigen Edge Controller auf Basis der SPS werden das Beste aus zwei Welten miteinander verbinden«, sagt er. »Der Echtzeitteil wird nach wie vor IEC-61131-Sprachen verwenden, während der integrierte Edge Controller die dort üblichen Sprachen versteht. Das Wichtigste ist hierbei eine konsistente Datenwelt, damit gleiche Symbole auf beiden Seiten auch auf das gleiche Datum verweisen. Die Datenhoheit liegt hier aber eindeutig bei der SPS, weil die Kontrolle des physischen Prozesses immer noch wichtiger ist als eine parallele oder nachgelagerte Verarbeitung bestimmter Prozesswerte zur Optimierung oder Nachweisbarkeit.«
Rahman Jamal plädiert für NIs grafische Entwicklungsumgebung LabVIEW als Programmierwerkzeug für Edge Controller: »LabVIEW ermöglicht das Erstellen, Debuggen und Implementieren von Logik in unserem Edge Controller IC-3173 durch Hunderte vorgefertigte Bibliotheken für Aufgaben wie Analyse, Steuerung, Regelung, Daten-Logging, Motorsteuerung und Bildverarbeitung«, führt er aus. »Mithilfe dieser validierten Software-Bibliotheken können Entwickler den Zeitaufwand reduzieren, den sie sonst bräuchten, um die Software-Komponenten verschiedener Anbieter zusammenzufügen und Kompatibilitätsprobleme zu lösen.«