Der Anteil erneuerbarer Quellen an der Energieerzeugung wächst. Dieser Umbruch bedeutet weit mehr als das Abschalten von Kernkraftwerken und Zuschalten dezentraler Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Besonders die Schutztechnik und die entsprechende Prüftechnik müssen sich tiefgreifend wandeln.
Zu Beginn der 1990er-Jahre gab es nur einige wenige dezentrale Einspeisungen. Im Störungsfall wurden diese Anlagen sofort vom Netz abgetrennt (entkoppelt), um Rückspeisungen und Inselnetzbildungen zu vermeiden. Die entsprechenden Einrichtungen zur Netzentkopplung wurden häufig mit einem einfachen Spannungs- und Frequenzschutz realisiert, teilweise auch in Kombination mit der Vektorsprungfunktion. Die Zahl der dezentralen Einspeisungen hat sich aber in den darauf folgenden Jahren so stark erhöht, dass die unselektive Netztrennung derartiger Anlagen zu einem plötzlichen Wegfall immer größerer Erzeugerleistungen geführt hat.
Neue Herausforderungen
Die Kurzschlussleistung hat sich im Fehlerfall sehr schnell reduziert, weil in Gebieten mit großen dezentralen Einspeisungen meist keine bzw. wenige konventionelle Erzeuger am Netz sind. Das dadurch entstandene Blindleistungsdefizit erhöhte die Gefahr eines Spannungskollapses. Die Ergänzung der bestehenden Schutzkonzepte mit einer FRT-Kennlinie (Fault-Ride-Through) konnte das Verhalten zwar etwas verbessern, aber einen möglichen Spannungszusammenbruch nicht vollständig verhindern.
Das koordinierte Zusammenwirken vieler dezentraler Stromerzeuger erfordert zudem einen hohen Aufwand im Bereich der Kommunikation. Ziel muss es daher sein, einzelne Anlagen so intelligent zu machen, dass sie autonom einen großen Teil zur Sicherheit und Qualität des Gesamtnetzes beitragen können.
Weiterentwicklung der Systeme
Angetrieben durch diese Problematik, wurde verstärkt versucht, dezentrale Anlagen im Fehlerfall zur Spannungsstützung zu nutzen. Aus diesen Bemühungen entstand schließlich der Blindleistungsrichtungs-Unterspannungsschutz oder kurz Q-U-Schutz, der sich als Systemschutz etabliert hat. Er sorgt dafür, dass im Fehlerfall (Absinken der Spannungen unter einen kritischen Wert) dem Netz keine Blindleistung mehr entzogen werden kann, und hilft damit, das Zusammenbrechen der Netzspannung zu verhindern. Dreht sich die Leistungsrichtung der Blindleistung in einem Netzanschlusspunkt um, wird der betroffene Teil vom Netz getrennt.
Der Q-U-Schutz bietet wirksamen Schutz und ist heute in Deutschland eine von vielen Netzbetreibern formulierte und definierte Anforderung. Dessen Installation ist auch erforderlich, um den gesetzlich geregelten Systemdienstleisterbonus zu erhalten.
Prüfung der Schutzsysteme
Das Prüfen des gesamten Netzentkopplungsschutzes beinhaltet den Q-U-Schutz, Über- und Unterspannung sowie Über- und Unterfrequenz. Der Q-U-Schutz erfordert im Vergleich zu den klassischen Schutzfunktionen wie Überspannung oder Unterfrequenz eine deutlich anspruchsvollere Prüfung. Eine Reihe von Schritten muss ausgeführt werden, um die einzelnen logischen Funktionen zu testen. Der Vorarlberger Prüfgerätehersteller OMICRON unterstützt bei diesen Aufgaben mit komfortablen Prüfgeräten, Prüfvorlagen in der PTLBibliothek (Protection Testing Library) und Seminaren zum Thema Netzentkopplungsschutz.
Die PTL-Prüfvorlage umfasst neben der Überprüfung der Leistungsrichtung auch den Test der kompletten Logik. Damit kann die Unterspannungsfreigabe, die Mindeststromschwelle und die Schutzfunktion in der Wirkleistungs-Blindleistungsebene einfach geprüft werden. Die Ergebnisse werden umfassend dokumentiert.
Weitere Tests
Neben den beschriebenen Prüfungen für den Netzentkopplungsschutz können vielfältige weitere Tests nötig sein. So sind zum Beispiel moderne Eigenerzeugungsanlagen häufig auch mit Kommunikationseinrichtungen ausgestattet. Die eingesetzten Standardprotokolle basieren dabei auf IEC 61850 bzw. der für Windkraftanlagen beschriebenen Variante IEC 61400-25. Leitstellenkommunikation mit Client-Server sowie Echtzeitkommunikation unter Nutzung von GOOSE spielen hier eine große Rolle. Diese Technik wird beispielsweise sowohl beim Loss of Mains (LoM)-Schutz (Vermeidung von Inselbildung) als auch im Offshore-Bereich zur Kommunikation zwischen einzelnen Windanlagen eingesetzt. Selbst die Übertragung von Wandlerdaten über Netzwerke (Sampled Values, »Process Bus«) wird bereits diskutiert.
Der Q-U-Schutz hat sich in Netzen mit dezentralen Erzeugungsanlagen bereits etabliert. Sowohl Hersteller von Schutzgeräten als auch Prüfsystemen arbeiten an weiteren Entwicklungen, um Schutztechniker bei den neuen Herausforderungen zu unterstützen.