Nach dem Rekordjahr 2009, das Deutschland eine neuinstallierte Photovoltaik-Leistung von rund 3 GW brachte, sorgte Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen mit seinen Plänen zur Neuregelung der Einspeisevergütung für Solarstrom zu Jahresbeginn 2010 für Turbulenzen auf dem deutschen Photovoltaik-Markt. Bleibt abzuwarten, ob die neuen Regeln das Wachstum des deutschen Marktes beeinflussen werden und welche Konsequenzen sie mittel- und langfristig für die hier tätige Photovoltaik-Industrie haben.
Nach der beschlossenen Kürzung der Solaranlagen-Förderung durch das Bundeskabinett herrscht in der Photovoltaik-Branche wieder Klarheit über die geltenden Spielregeln. Zum 1. Juli wird die Förderung von Solaranlagen auf Dächern um 16 Prozent und auf Freiflächen um 15 Prozent gekürzt. Zudem werden bei Anlagen auf Konversionsflächen die Subventionen um 11 Prozent gekappt. Zugleich verdoppelt sich die Zielmarke für das jährliche Ausbauvolumen von 1700 auf 3500 MW.
Wird das Ausbauziel von jährlich 3500 MW jedoch überschritten, sinken die Vergütungssätze zum Jahresende 2010 um 2 Prozent und im Jahr 2011 um 3 Prozent pro 1000 MW zusätzlichem Ausbauvolumen über den im EEG regulär vorgesehenen Degressionssatz von 9 Prozent hinaus. Unterschreitet das Marktwachstum die Untergrenze von 2500 MW, sinken die Vergütungssätze langsamer. Darüber hinaus wird der Eigenverbrauch von Strom aus Photovoltaikanlagen künftig stärker gefördert: Privathaushalte, die ihren Solarstrom selbst verbrauchen, erhalten künftig 8 statt 3 Cent pro kWh.
Mit der weichen Deckelung auf 3500 MW versucht man von Seiten der Politik, das bislang ungesteuerte Wachstum des deutschen Photovoltaik-Marktes etwas prognostizierbarer zu machen. In der Vergangenheit lag die tatsächliche Summe der neu installierten Photovoltaik-Leistung am Ende des Jahres oftmals sehr deutlich über den 12 Monate zuvor prognostizierten Werten. Die Festlegung auf den 1. Juli als Zeitpunkt der nächsten Degressionsstufe könnte dazu führen, dass sich die Marktereignisse des Vorjahres wiederholen.
Im letzten Jahr lief das Geschäft nach Darstellung von Thomas Rudel, Geschäftsführer von Rusol, bis zum Oktober verhalten. »Die Kunden warteten auf sinkende Preise, dann zog der Markt an«, blickt er zurück, »das Jahresende drängte wegen der im Januar anstehenden Änderungen der Einspeisevergütung, so dass die Module noch schnell verbaut werden mussten. Das führte innerhalb von 14 Tagen zu einer Verknappung, erst bei den PV-Modulen und dann im Wechselrichterbereich«.
Für Rafael Schröer, Geschäftsführer von Kyocera Fineceramics, war trotz der saisonalen Prägung des Photovoltaik-Geschäfts der Nachfrageanstieg in der zweiten Hälfte 2009 nicht vorhersehbar: »Für Deutschland ergab sich meiner Meinung nach eine besondere Situation, bedingt durch die Bundestagswahlen im September und der damit verbundenen Befürchtung einer erneuten Änderung des Einspeisetarifs in Form einer stärkeren Absenkung.«
Nach Darstellung von Peter Schneidewind, Vertriebsvorstand von Bosch Solar Energy, stellt das Jahr 2009 mit einer Neuinstallation von schätzungsweise 3 GW in Deutschland ein Rekord- jahr dar. Er verweist aber auch darauf, dass die gesunkenen Modulpreise dazu geführt haben, dass 2009 auch andere europäische Märkte wie Frankreich und Italien deutlich von der Preissituation profitiert haben und im Vorjahr stark gewachsen sind.
Ähnlich die Einschätzung von Karl-Heinz Groß, Geschäftsführer der Würth Solar: »Nach einem zögerlichen Jahresstart hat sich der deutsche Markt für Aufdachanlagen bis 30 kW, unser nationaler Kernmarkt, im zweiten Halbjahr hervorragend entwickelt!« International konnte auch die Deckelung des spanischen Marktes den Erfolg des Unternehmens nicht beeinträchtigen. »Wir konnten trotz dieser Veränderung unsere bis dahin größte solare Freiflächenanlage in Almerica mit einer installierten Leistung von 10 MW realisieren«, freut sich Groß.
Für Lars Waldmann, zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Schott Solar, kennzeichnet das Jahr 2009 den Beginn einer Übergangsphase. Der Photovoltaik-Markt entwickelt sich weg vom Nischenmarkt, der immer ein Verkäufer-Markt war, hin zu einem Massen-Markt, also einem Käufer-Markt. Die im Vorjahr im Schnitt um 25 Prozent gefallenen Modulpreise setzen in seinen Augen vor allem kleinere und noch nicht so am Markt etablierte Unternehmen unter Druck. Die nun verabschiedete weitere Kürzung der Einspeisevergütung erhöht den Druck auf die Solarmodulhersteller noch einmal zusätzlich. »Wir werden in diesem Jahr wohl mit einer noch stärkeren Branchenkonsolidierung rechnen müssen als 2009«, vermutet er.
Dr. Henning Wicht, Senior Director and Principal Analyst bei iSuppli, beleuchtet noch einmal die besondere Entwicklung des deutschen Photovoltaikmarktes 2009: »Nach unserer Einschätzung hat sich der deutsche Markt 2009 verdoppelt.« Ab dem 3. Quartal 2009 habe der deutsche Markt dann »Brieftaschenparität« (Pocket Parity) erreicht, die Rendite sei auf 8 Prozent gestiegen, was automatisch Investoren anzieht, wie Dr. Wicht bekräftigt. Er betont aber auch noch einmal, »dass kein anderer regionaler Markt 2009 so stark gewachsen ist wie Deutschland. Die oft zitierten Länder USA und Italien haben 2009 jeweils nur ein Marktwachstum zwischen 10 und 20 Prozent erreicht.«
An der dominierenden Stellung Deutschlands und Europas wird sich nach Einschätzung des Marktforschers auch bis 2013 nichts ändern. Waldmann warnt allerdings: Schon in der Vergangenheit hätten sich einige Märkte, wie etwa Griechenland und Italien, nicht so entwickelt, wie erwartet. Nach Einschätzung von Schröer bieten derzeit sicherlich Japan, Frankreich, Großbritannien und die Türkei Wachstumschancen. »Abgesehen von diesen Ländern, bietet jedoch jeder Markt mit entsprechenden Förderinstrumenten und reibungsloser Bürokratie ein gutes Potenzial «, versichert er.
Einigkeit herrscht unter den Branchenexperten bei der Beurteilung des US-Marktpotenzials. So geht Schneidewind für 2010 von einem Zubau von rund 1 GW aus, nach 400 bis 500 MW Neuinstallationen im Vorjahr. Nach Einschätzung von Waldmann könnte sich der US-Markt in den nächsten Jahren sogar zum weltweit schnellsten Wachstumsmarkt entwickeln.
Und was ist mit China? Groß warnt eindringlich davor, die Marktteilnehmer aus China, deren Entwicklung von staatlicher Seite nachhaltig gefördert wird, in irgendeiner Richtung zu unterschätzen, »sie werden eine bedeutende Rolle spielen!« Rusol-Chef Rudel setzt darauf, dass sich am Photovoltaik-Markt mehr und mehr das Bewusstsein für Qualität durchsetzt, nicht zuletzt, weil eine PV-Anlage schließlich über 20 Jahre funktionieren muss. »Die Nachfrage nach deutschen Modulen existiert nach wie vor, eben aus Qualitätsgründen «, gibt er seine Einschätzung wieder, »zusätzlich dazu wird sich chinesische Ware, vorausgesetzt sie ist qualitativ hochwertig, auf dem Markt durchsetzen«. Aus Sicht von Schröer wird das Gros der chinesischen Hersteller nur über den Preis verkaufen können, »trotzdem werden auch zwei, drei Hersteller den Sprung aus dem No-Name-Bereich in das Segment der Markenhersteller schaffen können«.