Stromversorgungsentwicklung – alles andere als trivial

Power-Ingenieur - der Superheld in der Designphase?

18. Juli 2013, 11:48 Uhr | Bill Laumeister, Maxim Integrated

Stromversorgungs-Designer müssen alles, was die ununterbrochene Stromversorgung der Applikation gefährden kann, ins Kalkül ziehen und entsprechend berücksichtigen. Der vorliegende Beitrag geht auf den Einsatz von Spannungs- und Strombegrenzungs-Bausteinen und Anstiegsgeschwindigkeits-Reduzierern (risetime reducers) in Power-Management-Anwendungen ein.

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Störbeeinflussungen durch Hochfrequenz (Radio frequency interference, RFI), elektromagnetische Felder (electromagnetic interference, EMI) und elektrostatische Entladungen (electrostatic discharge, ESD) sind Sicherheitsrisiken, die den Betrieb einer Applikation stören oder sogar die Gesundheit oder das Leben von Personen gefährden können. Erschwerend kommt hinzu, dass jede Anwendung durch unterschiedliche Anforderungen, Eigenheiten und Fallstricke gekennzeichnet ist. Stromversorgungs-Designer bilden hier die erste Verteidigungslinie und müssen eine störungsfreie Versorgung der jeweiligen Applikation gewährleisten - trotz aller Widrigkeiten. Die betreffenden Ingenieure sind bereits ganz am Beginn eines Projekts dabei. Sie beraten die anderen Ingenieure und sind auch dann gefordert, wenn es in der Endphase eines Projekts darum geht, die Energieeffizienz des Systems zu verbessern.

In dem Wissen, dass es keine für alle Anwendungen gleichermaßen geeignete Standardlösung gibt, erarbeitet man nach der 20 Prozent/80 Prozent-Regel eine sorgfältig durchentwickelte Power-Management-Schaltung. Nach diesem Grundprinzip muss ein Stromversorgungs-Designer alle möglichen Faktoren bedenken, die eine ununterbrochene Versorgung der Applikation gefährden können, um anschließend verschiedene Möglichkeiten zur Abwendung dieser widrigen Einflüsse zu finden. Neben Spannungs- und Strombegrenzungs-Bausteinen kommen auch Anstiegsgeschwindigkeits-Reduzierer für das Power-Management in Frage. Außerdem gibt es preisgünstige oder kostenlose Software-Tools, die Hilfestellung beim Design von Tiefpassfiltern, beim Prüfen der Eigenresonanz von Kondensatoren und bei der Simulation von Schaltungen leisten können.

Zwar benötigen alle Schaltungen eine Stromversorgung, trotzdem wird die Bedeutung der damit befassten Entwickler oftmals nicht ausreichend gewürdigt. Sogar das Management mag das Stromversorgungsdesign für eine leichte Arbeit halten. Wir als Ingenieure wissen allerdings, wie es in Wirklichkeit ist, und uns ist auch klar, wie viel Verantwortungsbewusstsein und Erfahrung ein Stromversorgungs-Designer heute mitbringen muss. Die Zeiten, in denen man ein fertiges, genügend groß dimensioniertes Netzteil zukaufen konnte in der Hoffnung, es werde schon funktionieren, sind lange vorbei. Selbst bei den Verbrauchern ist das Bewusstsein für die Stromaufnahme und die Standby-Leistungsaufnahme inzwischen geschärft. Mit zunehmender Leistung rücken außerdem die Sicherheitsaspekte immer mehr ins Blickfeld.

Stromversorgungs-Designer sind heute für die Überwachung und Durchsetzung von Designrichtlinien für Versorgungsspannung und Masse zuständig. Dazu gehören die Platzierung und Dimensionierung der Leitungen im Chassis, die Fernerfassung sowie das Positionieren von Sternpunkten für Versorgungsspannung und Masse am Chassis und auf den Leiterplatten. Das Leiterplatten-Layout wird überwacht und organisiert, um das Rauschen zu mindern und für das relevante Frequenzband eine geeignete Entkopplung zu erreichen. Die Anfälligkeiten gegen elektrostatische Entladungen sowie Störbeeinflussungen durch Hochfrequenz und elektromagnetische Felder sind Aspekte der Schnittstelle zur Außenwelt und werden am besten auf harmonisierte Weise angegangen. Da das Stromversorgungs-Design an der Schnittstelle nach außen mit der Eingangsspannung beginnt, ist der Entwickler hier gefordert, sich mit den anderen Designern abzusprechen, um die anderen Schnittstellen im gesamten System zu schützen.

Im Wissen um seine zentrale Rolle muss das Hauptaugenmerk des Stromversorgungs-Designers an der 20 Prozent/80 Prozent-Regel ausgerichtet sein. Generell sind viele Systeme anfällig für Störbeeinflussungen und elektrostatische Entladungen (in diesem Fall die 80 Prozent), doch lässt sich der Schutz bereits durch Anpassungsmaßnahmen und Hinzufügen weniger Anforderungen oder Komponenten (20 Prozent) gewährleisten. Dies hat nichts Geheimnisvolles oder Magisches an sich, lässt die Stromversorgungs-Designer aber dennoch in vielen Unternehmen wie wahre Helden erscheinen.

Bild 1: Stromkompensierte Drossel als Netzfilter
Bild 1: Stromkompensierte Drossel als Netzfilter
© Maxim Integrated

Mit der Aufgabe betraut, das Projekt zu beschleunigen, erhalten Sie von einem anderen Ingenieur den Vorschlag: »Wir müssen nur ein Filter aus dem Katalog kaufen und vor das Standardnetzteil setzen. Das müsste ausreichen.« In Bild 1 ist ein typisches Beispiel für ein solches Filter zu sehen. Ob diese Maßnahme ausreicht, bleibt dabei allerdings im Unklaren. Um wirklich sicher sein zu können, setzen erfahrene Stromversorgungs-Designer auf ein systematisches Konzept und testen die Lösung sowohl rechnerisch als auch in realer Form.

Hinsichtlich ihrer Störanfälligkeit sind Consumer- und Industrie-Applikationen ähnlich. Obwohl es sich um scheinbar völlig verschiedenartige Anwendungen handelt, kommt es in beiden Fällen darauf an, in jedem Fall auszuschließen, dass die von außen kommenden Störbeeinflussungen die Sicherheit gefährden. In einer Fabrik findet man SPSen vor, deren lange Kabelverbindungen wie Antennen wirken können. Die bis zu einigen hundert Volt betragenden Motorspannungen können bei Kurzschlüssen auf die Datenleitungen durchschlagen. Fabrik- oder andere Industrieanlagen können sich zudem unter freiem Himmel befinden, wo sie dem Wetter, möglichen Blitzschlägen sowie »Masseschleifen« ausgesetzt sind. Consumer-Geräte schließlich sind stets anfällig gegen Störungen auf dem Stromnetz. Angesichts dieser Rahmenbedingungen versuchen wir, uns auf die Mehrzahl der Anfälligkeiten gegen Störbeeinflussungen einzustellen. Die in Bild dargestellte vereinfachte Schnittstelle macht 80 Prozent der Übereinstimmungen in einer Schaltung deutlich und zeigt, wo die 20 Prozent an optimiertem Design zu erwarten sind.

Bild 2: Diese 20-Prozent/80-Prozent-Interfaceschaltung ist für Ein- und Ausgänge verwendbar.
Bild 2: Diese 20-Prozent/80-Prozent-Interfaceschaltung ist für Ein- und Ausgänge verwendbar.
© Maxim Integrated

In Bild 2 lassen sich die Schutzbauelemente in drei Kategorien einteilen:

  • Spannungsbegrenzungs-Bausteine: Gasentladungs-Ableiter, Metalloxid-Varistoren, Suppressordioden, Triacs, Diacs und Schalter.
  • Strombegrenzungs-Bausteine: Schmelzsicherungen, Sicherungsautomaten und Thermoschalter.
  • Anstiegsgeschwindigkeits-Reduzierer: Widerstände, Drosseln, Spulen, Ferritperlen und Kondensatoren sorgen alle dafür, dass die Anstiegsgeschwindigkeit einer Störgröße sinkt, sodass andere Schutzbausteinen in Funktion treten können.

Zur Schaltung von Bild 2 lässt sichfeststellen:

  • R1 und R2: Diese Präzisions-Widerstände dienen zur Abschwächung höherer Eingangsspannungen, damit ein ADC mit einem Eingangsbereich von 3 V verwendet werden kann. Maxim Integrated bietet hierfür den Spannungsteiler MAX5490 an.  
  • R1, C1, D1: Der Widerstand kann durch eine Schmelzsicherung oder eine Ferritperle (FB1) ersetzt werden, um die Kombination C1-D1 zu schützen und ein Tiefpassfilter zu bilden.
  • R2: Wenn dieser Widerstand einen Wert von 250 Ω hat, wandelt er Ströme zwischen 4 mA und 20 mA in eine Spannung von 1 V bis 5 V um, die zur Ansteuerung eines ADC verwendet werden kann.
  • C1, C2, C3: Anti-Alias-Kondensatoren zur Reduzierung von Hochfrequenz-Störbeeinflussungen.
  • R3-C2, R4-C3: RC-Tiefpassfilter.
  • D1: Eine 5,6 V TVS-Diode (Transient Voltage Suppressor) zur Klemmung von -0,6 V bis 5,6 V. Empfohlen wird hierfür die Vishay VCUT0505-HD1.
  • D2-D3: Silizium-Klemmdioden (0,6 V bis 0,7 V Flussspannung). Hierfür wird die schnelle Diode 1N4148 empfohlen; größere Si-Klemmdioden - die Universal-Gleichrichter vom Typ 1N4001-7 werden hierfür empfohlen.
  • D4-D5: Schottky-Klemmdioden mit 0,25 V bis 0,3 V Flussspannung. Hierfür werden die Dioden BAT54 oder SD101 empfohlen.
  • R1, R3, R4: Diese Widerstände begrenzen den Strom in den zuvor genannten Dioden.
  • L1 ersetzt R4: Zwei- oder dreipoliges Tiefpassfilter.
  • R1, R3 und Leitung: Serienwiderstände für Filter. R5: Abschlusswiderstand für Filterausgang.
  • L1, C2, C3: Zwei- oder dreipolige Filter.
  • C4: AC-Kopplung oder parallel zu L1 für Filter.

Zusammen mit den Widerständenwerden Kondensatoren eingesetzt. Ferritperlen und Induktivitäten fungieren als Tiefpassfilter. Dieses Verfahren kontrolliert die Anti-Alias-Filterung für den Datenwandler. Es vermindert die Anstiegsgeschwindigkeit von ESD-Ereignissen, verteilt die Impulse über eine längere Zeit und verleiht den Kondensatoren mehr Effektivität. Nennspannung und Eigenresonanz der einzelnen Kondensatoren sind auf die Frequenz und Bandbreite der Applikation abzustimmen. Alle diese Netze haben eine reziproke Wirkung: sie schützen das System vor Einflüssen von außen und bieten im Gegenzug der Umgebung Schutz vor ungewollt ausgesendeten Signalen. Die Softwaretools generieren und simulieren auf der Basis von Bild 2 die endgültige Schaltung.

Bill Laumeister arbeitet als Ingenieur für strategische Applikationen in der Precision Control Group von Maxim Integrated.


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