Haptische Rückkopplung im HMI

Antwort vom Display

12. Dezember 2016, 15:24 Uhr | Von Eberhard Schill
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Spannung im Westentaschenformat

Ströme im Amperebereich und minimaler Bauraum stellen natürlich eine hohe Anforderung an die Ansteuerelektronik. Kyoceras Crossbow-Aktuatoren arbeiten mit bis zu 2 A bei 50 V. Diese Strom-/Spannungs-Parameter müssen aus einer normalen 5-V-Stromversorgung erzeugt werden. Hierzu greift man auf Flyback-Konverter-Schaltungen zurück, die zusätzlich noch mit einer entsprechenden Frequenz getaktet werden. Da (wie immer) kein Platz zur Verfügung steht, muss das Ganze möglichst noch mit einer Logik zusammen auf einem IC untergebracht werden – selbstverständlich zuverlässig und störungsfrei. Bei der Entwicklung des Ansteuer-IC mussten letztlich auch zahlreiche Wärme-, HF- und Schaltimpuls-Herausforderungen gelöst werden. Die Boost-Kondensatoren und -Induktivitäten wurden extrem niederohmig angebunden.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

Mit viel Gefühl: Software zur Effekt-Erzeugung

Haptik-Display mit Crossbow-Aktuatoren
Bild 3. Mechanisch-elektrischer Aufbau eines Haptik-Displays mit den Crossbow-Aktuatoren.
© Kyocera

Das haptische Feedback muss mit dem Touch-Sensor und dem Display funktional zusammenwirken (Bild 3). Dazu muss die x-y-Positionsinformation der Touch-Sensorfläche in Verbindung mit der programmierten Bedienoberfläche ausgewertet werden und eine eindeutige Information vorliegen, ob eine Taste oder nur der Zwischenraum berührt wird, denn nur bei Tastenberührung soll der Haptivity-Effekt aktiv werden. Hierzu wird zuerst über den Piezo-Effekt die mechanische Verbiegung ausgewertet und mit hinterlegten Werten verglichen. Nach Überschreiten eines definierten Druckpunkts wird dann das Piezo-Element aktiv betätigt. Das heißt, der dieser Taste zugeordnete Impuls (Auslöseimpuls) – gekennzeichnet durch eine spezifische Frequenz, Dauer, Impulsform und Auslenkung – wird über das Piezo-Element als mechanische Bewegung ausgegeben, durch die Berührung des Fingers vom Menschen erfasst und folglich über den Tastsinn als Betätigungs-Rückmeldung wahrgenommen.

Unmittelbar danach muss aber gemessen werden, ob der Druck des Fingers sich verändert hat. Wird der Druck stärker, kann beim nächsten Druckpunkt ein weiterer Impuls ausgelöst werden, um eine mehrstufige Tastenbetätigung zu simulieren. Der Kyocera-Ansteuer-Baustein kann bis zu sieben unterschiedliche Druckpunkte auswerten, also eine bis zu siebenstufige Tastenfunktion simulieren. Damit beim Benutzer auch beim Zurückziehen des Fingers ein realitätsnahes Klick-Gefühl ausgelöst wird, muss bei geringer werdendem Druck ebenfalls ein Impuls (Rückstellimpuls) ausgelöst werden, der über einen zweiten Satz von Parametern (Rückstellparameter) definiert wird. Diese Rückstellparameter stehen in Relation zu den Auslöseparametern, um ein optimales Klick-Gefühl zu erzeugen, sind jedoch nicht mit ihnen identisch. Dies wurde in langwierigen Versuchen mit Probanden ermittelt [1], da sich virtuelle Empfindungen nicht einfach messen lassen.

Druck mit Ansage

Verteilung der Touch-Tasten
Bild 4. Für jedes der 16 x 16 Felder können die Parameter individuell justiert werden, sodass sichergestellt ist, dass sich die Touch-Taste in der Mitte bezüglich ihrer haptischen Rückmeldung genauso wie diejenige am Rand.
© Kyocera

Als relevante Parameter für die Simulation eines Tastendrucks, wie sie mit der Haptivity-Technik geschieht, wurden Auslösekraft, Hubweg, Impulsform, -länge und -frequenz sowie die Rückstellkraft identifiziert [1]. Die Idealwerte können in bestimmten Grenzen modifiziert und somit an die jeweilige Anordnung und das gewünschte Tasten-Betätigungs-Empfinden angepasst werden. Details finden sich im Kyocera-Patent EP2461233B1. Speziell die Veränderung der Auslösekraft ermöglicht die Simulation eines mehr oder weniger harten Druckpunkts. Die Art des Ansteuer-Impulses verändert die haptische Anmutung der Tastenbetätigung. Somit kann auf einem Display nahezu dasselbe Druckgefühl wie bei den wirklichen mechanischen Tasten erzeugt werden. Es besteht die Möglichkeit, alle Touch-Tastenfelder im Display mit identischen Parametern zu belegen oder aber, je nach Funktion, verschiedene Tastenfelder mit unterschiedlichen Rückmelde-Parametern zu versehen. Praktisch geschieht dies mit einer Programmier-Software, bei der alle Touch-Bereiche einzeln definiert und deren gewünschte (evtl. unterschiedliche) Haptik-Parameter eingestellt werden. Anschließend werden diese Daten gespeichert. Um die mechanischen Unterschiede auf einer Touch-Oberfläche auszugleichen, wurde eine spezielle Funktion im Ansteuer-IC hinterlegt. Bei dieser wird die Oberfläche in 16 × 6 Felder aufgeteilt, für die die Parameter individuell justiert werden können (Bild 4). Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Touch-Taste in der Mitte sich bezüglich ihrer simulierten haptischen Rückmeldung genauso anfühlt wie diejeinige am Rand.

Touch-Display
Bild 5. Touch-Display, das sich über den Tastsinn bedienen lässt: Es zeigt verschiedene mechanische Taster und Stellschrauben, die beim Berühren einen jeweils unterschiedlichen haptischen Reiz simulieren.
© Kyocera

Letztlich ist durch die Nutzung von geeigneten Piezo-Aktoren eine Integration von haptisch rückmeldenden Display-Touch-Tasten auf kleinem Bauraum machbar. Zur Lagerung der ganzen Display-Anordnung muss man sich allerdings etwas Gedanken machen. Für die Elektronik ist das Leiterplattendesign ausschlaggebend: Vieles ist bereits im Ansteuer-Baustein vorhanden, im Wesentlichen müssen nur Kondensatoren und Induktivitäten für den Leistungsteil platziert werden. Hierbei ist die Leiterbahnführung im Auge zu behalten, denn diese muss, wie schon erwähnt, extrem niederohmig ausfallen.
Zeit sollte man für die Programmierung der Rückmelde-Ansteuer-Parameter vorsehen, wenn spezielle Funktionen gefragt sind. Es lohnt sich in jedem Fall, wenn man sich Gedanken macht, wie diese Haptivity in die Bedienphilosphie sinnvoll integriert werden kann. Mehrstufig zu betätigende oder vibrierende Tastenfeld-Bereiche eröffnen dann aber ein breites Spektrum an Betätigungs- und Rückmelde-Varianten, die die »Haptivity« zu einer gefragten Geräte-Eigenschaft machen können.

Eberhard Schill

studierte an der Universität der Bundeswehr Elektrotechnik. Ab 1989 arbeitete er bei VDO und Optrex in der LCD-Produktentwicklung, im Projektmanagement und als Key Account Manager. Seit 2012 ist er für das Marketing und den Distributionsvertrieb bei Kyocera Display Europe GmbH zuständig.

eberhard.schill@kyocera-display.eu

 

Literatur

[1] Schill, E.: Vom Touch zur Haptik. Elektronik 2015, Sonderheft Displays, S. 32–35.

 


  1. Antwort vom Display
  2. Das Zauberwort lautet: Piezo-Element
  3. Spannung im Westentaschenformat

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!