Neue EMV-Analyseverfahren spüren die von manchen »Billig-Energiesparlampen« ausgehenden zeitbegrenzten und driftenden Störer auf

Den driftenden Störern auf der Spur

16. September 2009, 9:03 Uhr |
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Den driftenden Störern auf der Spur

Neues Messverfahren erfasst Störemissionen

Die Norm, nach der diese Produkte vermessen werden, heißt IEC/CISPR 15. Sie regelt, welche Störspannungen im Frequenzbereich 9 kHz bis 30 MHz von einem Produkt verursacht werden dürfen. Es handelt sich hier um leitungsgebundene Störungen, die z.B. über die Versorgungsleitungen übertragen werden können. »Es gibt zwei Messverfahren, um das emittierte Störspektrum zu erfassen und zu analysieren«, führt Dr. Winter aus. »Traditionell werden dazu seit den 70er-Jahren HF-Messempfänger eingesetzt. Dabei wird das Spektrum sequentiell erfasst. Eine solche Messung kann je nach Frequenzbereich und verwendetem Detektor, der durch die Normung festgelegt ist - z.B. Peak, Quasi-Peak, Average -, mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Das Signal an einem Frequenzpunkt wird somit nur zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst. Störsignale, die sich mit der Zeit verändern und z.B. in der Frequenz driften, können auf diesem Weg gar nicht oder nur schwer gemessen werden.«

Seit Ende 2006 gibt es für diese schwer zu vermessenden Störer ein neues Prüfverfahren, das auf der Messung im Zeitbereich basiert. Gauss Instruments, ein 2007 gegründetes Spin-Off des Lehrstuhls für Hochfrequenztechnik der Technischen Universität München, hat speziell dafür die Geräteserie TDEMI entwickelt. Zeitbereichs-Messsysteme wie die TDEMI-Analysatoren erfassen Emissionen im Zeitbereich in Echtzeit. Das zu vermessende HF-Eingangssignal wird mittels eines mehrstufigen A/D-Wandler-Systems digitalisiert und mit der Fast Fourier Transformation (FFT) in den Frequenzbereich umgerechnet. Die leistungsfähigen FPGAs berechnen die Detektoren gemäß der Norm CISPR16-1-1 an mehreren tausend Frequenzpunkten parallel und stellen die Ergebnisse in Form eines gewichteten Spektrogramms (»Wasserfall-Diagramm) dar. Hierdurch können zeitlich begrenzte Vorgänge wie z.B. die Frequenzdrift einer Kompaktleuchtstoffröhre in den ersten Minuten der Betriebsdauer sichtbar gemacht werden. Nach Aussage des Experten lässt sich somit im Betriebsmodus Messempfänger, nach CISPR 16-1-1, die Messdauer um bis zu Faktor 4000 verkürzen.

Praktische Messung an einer Energiesparlampe

»Im Fall der Energiesparlampe wandert das emittierte Störspektrum mit der Zeit, weil auf Grund des geringen Produktpreises sehr kostengünstige Oszillatoren und Bauteile verwendet werden«, erläutert Dr. Winter. »Weil hier mit dem Quasi-Peak-Detektor gemessen werden muss, sind die erzielbaren Messzeiten bei traditionellen Messempfängern so hoch, dass sich in dieser Zeit das Emissionsspektrum verändern kann. Selbst die bei einigen Geräten verfügbare schnelle Vormessung hilft hier nicht, da ggf. bei der langsamen Nachmessung die Störmaxima nicht mehr an dem ursprünglichen Frequenzpunkt vorzufinden sind. Dieser kann sich dann schon um einige kHz verschoben haben.« Bei diesem Messverfahren (Peak-Vormessung, langsame Nachmessung) könne somit ein Messwert vorgetäuscht werden, der unter der Grenzwertlinie liegt.  

Bei einer Emissionsmessung mit einem Zeitbereichsmesssystem an einer Energiesparlampe erhält man interessante Ergebnisse, die mit dem klassischen Messverfahren so nicht erfasst werden können. Man erkennt in Bild 1, dass sich das Emissionsspektrum der Kompaktleuchtstoffröhre mit der Zeit ändert, bedingt durch die Erwärmung der Bauelemente und durch das notwendigerweise kostengünstige Design. Wenn man diese Messung analog beim Einschalten der Lampe im Zeitbereich aufzeichnet und Zeit/Frequenz/Amplitude gleichzeitig beobachtet, erkennt man die starke Frequenzänderung mit der Zeit (siehe Bild 2). Diese kann dann im Extremfall zum Totalausfall aller in der Nähe befindlichen IR-ferngesteuerten Geräte führen.

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Zeitlicher Verlauf des Emissionsspektrums nach Frequenz/Amplitude/Zeit

»Die driftenden Störungen bei Energiesparlampen treten typischer Weise in den ersten Sekunden/Minuten je nach Modell auf«, fährt Dr. Winter fort. »Mit dem klassischen Messverfahren dauert eine einzelne Emissionsmessung von 9 bis 150 kHz mit dem Quasi-Peak-Detektor schon 30 Minuten und damit länger als der Zeitraum, in dem diese driftenden Störer auftreten. Mit einem Zeitbereichsmesssystem lässt sich die Messung dagegen in 18 Sekunden durchführen. Mehrere Messungen nacheinander können so Aufschlüsse über die Frequenzdrift geben.«

Weil grundsätzlich alle elektronischen Produkte störsicher betrieben werden sollen, ist eine genauere Analyse dieses Phänomens nach Überzeugung des Experten nur mit dem neuen Zeitbereichsmessverfahren möglich und kann beispielsweise in die Entwicklung der nächsten Generation von Audiogeräte und Kompaktleuchtstoffröhre einfließen. (nk)

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Emissionsspektrum einer Kompaktleuchtstofflampe gemessen mit einem Zeitbereichsmesssystem. Rote Kurve: Emissionsspektrum nach 10 Sekunden Betriebdauer, grüne Kurve: Emissionsspektrum nach 2 Minuten Betriebsdauer

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