Automatisierte Tests der nächsten Generation

3. April 2009, 14:35 Uhr | Nicole Kothe, Markt&Technik

In Entwicklung, Prüffeld und Produktion ist die Messtechnik oft der »Flaschenhals«. Rahman Jamal von National Instruments (NI) erläutert, wie LabVIEW und PXI zusammen mit Multicore- und FPGA-Technologien die Prüfsysteme der nächsten Generation beeinflussen.

Diesen Artikel anhören

Markt&Technik: Wireless-Technologien haben mittlerweile in fast allen Anwendungsgebieten Einzug gehalten. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Messtechnik?

Rahman Jamal: Die Wireless-Funktionalität wird zunehmend ein integraler Bestandteil unterschiedlichster Multifunktionsgeräte. Neben Kommunikationsgeräten findet man sie auch immer mehr in Fahrzeugen, industriellen Geräten, Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräten. Zudem wird fast jeden Tag ein neuer Wireless-Standard veröffentlicht, der immer wieder andere Anforderungen abdeckt. Prüfingenieure müssen ihre Systeme schnell anpassen können, um in der Lage zu sein, diese neuen Standards zu testen. Hier kommen nun die softwaredefinierten Messgeräte ins Spiel: Über eine anwenderdefinierte Software kann der Prüfingenieur ein und dasselbe System schnell für den Test von Wireless-Standards wie WiMAX, GPS, WCDMA, GSM, EDGE, Videoübertragung, IEEE 802.11, Bluetooth, OFDM und MIMO rekonfigurieren, wobei in vielen Fällen nicht einmal zusätzliche Hardware erforderlich ist.

Wie sollte ein solches softwaredefiniertes Testsystem aussehen?

Meines Erachtens sind es drei Dinge, die ein Messsystem braucht: Zunächst sind es Multicore-Prozessoren, die für die schnelle und vor allem parallele Verarbeitung sorgen, zum zweiten ist es das PXI-Bussystem mit den entsprechenden Steckkarten und zum dritten ist es das grafische Programmiersystem LabVIEW von NI. Lassen Sie es mich kurz erklären. Wie schon erwähnt, verbreitet sich die Wireless-Technologie rasant; die Endgeräte-Hersteller produzieren immer schneller und in größeren Stückzahlen. So wurden laut einer Studie von Gartner im Jahr 2008 weltweit über 1,15 Milliarden Mobiltelefone an Endverbraucher verkauft, 16 Prozent mehr als 2006 mit 990,9 Millionen. Gleichzeitig erhöht sich auch der Prüfdurchsatz massiv. Meiner Meinung nach können die Hersteller dem nur gerecht werden, indem sie kommerzielle Technologien wie LabVIEW, PXI und Multicore-Prozessoren einsetzen. So profitieren Ingenieure zum Beispiel von den für Multicore optimierten Analysefunktionen in LabVIEW 8.6 sowie von NIs neuen PXI-Express-RF-Vektorsignalanalysatoren/-generatoren für die Verarbeitung von Signalen bis zu 6,6 GHz. Und auch die Geschwindigkeit nimmt zu: Dank der parallelen Architektur kann der Anwender individuelle RF-Messungen wie zum Beispiel Adjacent Channel Power und Error Vector Magnitude für das WCDMA-Protokoll mehr als zehnmal schneller als mit herkömmlichen Messgeräten durchführen. Mit den neuen Multicore-Prozessoren können PXI-basierte RF-Messungen noch schneller ausgeführt werden, ohne dass Änderungen bei den RF-Messgeräten oder bei der Programmierung in LabVIEW erforderlich sind. Damit sollte man sowohl für heutige als auch für zukünftige Herausforderungen bei Wireless-Tests gut gerüstet sein.

Welche Probleme ergeben sich für den Prüfingenieur beim Design paralleler Systeme?

Der Trend hin zu Multicore-Prozessoren macht parallele Systeme für alle Prüfingenieure nutzbar. Aber der Anwender muss auch in der Lage sein, Softwareanwendungen zu entwickeln, die sich die Vorteile dieser Multicore-Prozessoren zunutze machen. So beispielsweise die Erstellung mehrerer Threads, die auf unabhängigen Prozessorkernen ausgeführt werden. Und da fängt das Problem schon an: Multithreading-fähige Anwendungen in einer textbasierten Programmiersprache wie etwa C zu schreiben, ist für die meisten Design- und Prüfingenieure recht kompliziert und setzt Fachkenntnisse in der Semantik, der Erstellung und Verwaltung von Threads sowie dem Thread-sicheren Datenaustausch voraus. Bill Dally, Vorsitzender des Computer Science Department der Stanford University hat das mal recht treffend beschrieben: »Die parallele Programmierung ist heute vielleicht das größte Problem in der Informatik.«
LabVIEW schafft hier Abhilfe. Speziell die intuitive parallele Datenflussprogrammierung von LabVIEW vereinfacht die Multicore-Entwicklung für Prüfanwendungen. LabVIEW ermöglicht die automatische Skalierung von Threads je nach verfügbarer Anzahl an Prozessorkernen. Die inhärente Multithreading-Technologie in LabVIEW wird von LabVIEW 8.6 noch weiter optimiert. Für mehr als 1200 Analysefunktionen steht eine verbesserte Leistung für schnellere Mathematik und Signalverarbeitung auf Multicore-Systemen zur Verfügung.

Und welche Rolle spielt PXI für neue parallele Prüfanforderungen?

PCI ist der PC-Bus mit der größten Verbreitung in der Industrie. PCI Express baut auf dieser Technologie auf und unterstützt durch dedizierte parallele Daten-Lanes eine höhere Datenbandbreite. Durch die Verwendung der PCI-Express-Technologie in der Backplane erhöht PXI Express den möglichen Datendurchsatz um mehr als das 45-fache - von 132 MByte/s (Peak) auf 6 GByte/s. Dabei bleibt die Hard- und Softwarekompatibilität mit PXI-Modulen erhalten. PXI Express ist vollständig in die PXI-Plattform integriert und ermöglicht eine Bandbreite von 1 GByte/s pro Steckplatz in jede Richtung. Zudem liefert es die leistungsstärksten Timing- und Synchronisationsfunktionen. Alle diese Eigenschaften ermöglichen es dem Anwender, vollständig parallele Prüfsysteme zu entwerfen. So kann ein System mit vier PXI-Express-Modulen zum Beispiel gleichzeitig Daten erfassen, sie kontinuierlich in den Systemspeicher übertragen und jeden parallelen Daten-Stream mit Hilfe von LabVIEW analysieren, um die Daten dann automatisch auf einzelne Prozessorkerne zu verteilen.

Wie verbessern FPGAs die Integration von Design und Test?

Viele Chip-Entwickler stehen vor der Herausforderung, dass Geräte immer komplexer werden, die Prüfsysteme in Sachen Testgeschwindigkeit jedoch nicht nachkommen. Infolgedessen bleibt der Test einer der maßgeblichen Kostenfaktoren in der Produktion. Bei der Validierung geht es jedoch nicht nur um die Testkosten, sondern um die gesamte Prüfzeit – die wiederum die Zeit bis zur Validierung neuer Chips, und damit die Markteinführungszeit beeinflusst. Was man nun bräuchte, um die Komplexität von Prüfsystemen zu reduzieren, ist eine »Higher-Level-Prüfmethode«. Hier setzen emulationsbasierte ATE-Systeme an. Damit können Anwender Testsysteme erstellen, die den Funktionstest für ein Gerät in der tatsächlichen Einsatzumgebung emulieren. Dazu muss das System in der Lage sein, ein Modell von mehreren Systemkomponenten zu berechnen und mit Hilfe von bis zu 110 möglichen Modulen mit den tatsächlich vorhandenen Systemkomponenten zu interagieren – und das in Echtzeit.

Gerade beim Test von Chips sind die Echtzeitanforderungen oft sehr streng. Hier eignen sich Field-Programmable Gate Arrays (FPGAs) hervorragend. Ein FPGA im Testsystem kann sowohl zur Emulierung des Systems als auch zum Test des Gerätes in seiner tatsächlichen Einsatzumgebung verwendet werden. Und weil der FPGA auch sein Versprechen als Zielsystem hält, das Systemmodelle direkt von Entwicklungswerkzeugen auf Systemebene ausführen kann, rücken Design und Test noch näher zusammen.
Nutzt man FPGAs in dieser Art und Weise, stellt die Komplexität bei Programmierung eine echte Herausforderung dar. Abhilfe schafft hier wiederum das LabVIEW-FPGA-Modul: Es beschleunigt die Entwicklung emulationsbasierter ATE durch neue IP-Cores für die Signalverarbeitung, schnellere Kompilierung von Simulationen und die Fähigkeit, bestehendes HDL-IP (Intellectual Property) in den LabVIEW-Code zu integrieren.

Das Interview führte Nicole Kothe.


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!