Ortung per Funk

Positionsbestimmung ohne Satellit

6. Februar 2019, 16:37 Uhr | Von Harald Naumann
Lokalisierung per Funk - ohne Satellit.
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Die Satellitennavigation funktioniert nicht in Gebäuden und sie benötigt relativ viel Energie. Für die Lokalisierung in geschlossenen Räumen eignen sich andere Funktechniken besser – auch Low-Power-Funktechniken wie LTE Cat NB1.

Bis zum Jahr 2000 wurde das GPS-Signal bei der Abstrahlung in seiner Genauigkeit auf ±100 m verschlechtert. Mit eingeschalteter Selective Availability (SA) erreichten die GPS-Empfänger in 95 % der Fälle eine Genauigkeit von 100 m. Alle Nutzer mussten mit dem künstlich verfälschten GPS-Signal zufrieden sein. Mit der Abschaltung der Verfälschung kann ein GPS-Modul ohne die Nutzung von Differential-GPS eine Genauigkeit von 10 m mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % erreichen. Die oft genannten 4 m Genauigkeit ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % (Streukreisradius, CEP50 – Circular Error Probable) zu erreichen. Das bedeutet aber auch, dass 50 % der ermittelten Positionen um mehr als 4 m von der tatsächlichen Position abweichen.

Durch die Kombination mit anderen Satellitensystemen wie Glonass, Galieo, Beidou kann die Genauigkeit verbessert oder die Verfügbarkeit optimiert werden. 100 m mit CEP95 sind ein guter Maßstab zum Vergleich mit Ortungssystemen ohne GPS. Die 100 m reichen zur Navigation im Auto, Fahrrad oder auch zu Fuß bzw. für die Ortung von Objekten.

Bei der Ortung im Innenraum müssen jedoch alle Satellitensysteme passen. Die GNSS-Signale sind zu schwach, um die Mauern der Gebäude zu durchdringen. Zum Glück gibt es Alternativen, um dieses Manko in einer Genauigkeit des alten GPS mit SA im Innenbereich zu erzielen.

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Beispiel GSM-Ortung in Innenräumen

Im Jahr 2000 fand in Hannover die Weltausstellung EXPO 2000 statt. Alle Verkäufer der Tickets für die Seilbahn auf dem Messegelände waren mit GSM-Ortung für Innenräume und paralleler GPS-Ortung ausgerüstet. Die Verkäufer verkauften Tickets für 5 DM bis 10 DM pro erwachsener Person und hatten innerhalb kurzer Zeit große Mengen an Bargeld in den Taschen. Mit dem Ortungssystem sollte im Falle eines Überfalls Hilfe gerufen werden. Eine gestohlene Geldkassette hätte die Polizei problemlos im Raum Hannover verfolgen können.

Um diese Ortung zu realisieren, wurden versteckte AT-Befehle in den GSM-Modulen genutzt, um mit ein paar technischen Tricks die GSM-Module zum Umbuchen in den Funkzellen zu animieren. Ein GSM-Modul bucht, wenn möglich, in die Zelle mit der höchsten Feldstärke ein und bleibt dort bis zum Wechsel (Handover) in die nächste Zelle.

Die Nachbarzellen sind dem im Netz eingebuchten GSM-Modul bekannt. Mit den allgemein bekannten und geläufigen AT-Befehlen kann man am GSM-Modul die Zellen-ID (CID – Cell Identification), die Feldstärke und den TA-Wert auslesen. TA (Timing Advance) gibt an, wie weit das Modul von der Basisstation entfernt ist und wird benötigt, um die Laufzeit von GSM-Signalen auszugleichen. In einem Zeitschlitz bei GSM können bis zu acht Teilnehmer gleichzeitig telefonieren. Ist ein Teilnehmer weiter von der Basisstation entfernt, dann muss das GSM-Modul bzw. das GSM-Telefon früher senden, damit das Sendepaket im richtigen GSM-Zeitschlitz an der Basisstation ankommt. Der TA-Wert gibt das Vielfache der Bitdauer von 3,7 μs an und repräsentiert damit die Entfernung zwischen Mobilgerät und Basisstation in Stufen zu je 550 m. Wird der TA-Wert mit der Feldstärke und ein paar Kalmanfilter kombiniert, lässt sich eine gute Genauigkeit der Positionsbestimmung im Bereich von ca. 100 m erreichen.

Um die Feldstärke auswerten zu können, müssen die Sendeleistung und der Standort der Basisstation bekannt sein. Das damalige Entwicklerteam der Firma Magnatec Technologievertriebs- und Handelsgesellschaft in Garbsen bei Hannover hatte den Zugriff auf alle Standorte der Basisstationen von Mannesmann (heute Vodafone) inklusive Position der Masten, Höhe der Antenne und Sendeleistung im Raum Hannover.

Prinzip der Triangulation
Bild 1. Das Prinzip der Triangulation: Aus der Signallaufzeit kann ein Mobilgerät seine relative Position zur Basisstation errechnen. Für eine eindeutige Positionsbestimmung sind die Abstandswerte von mindestens drei Basistationen nötig.
© Naumann

Um eine Position zu bestimmen, ist eine Triangulation nötig (Bild 1). Bei dem auf der EXPO 2000 in Hannover eingesetzten Verfahren wurde der Radialabstand für mindestens drei Standorte ermittelt. Die drei Kreise ergeben an einem Punkt in der Karte eine Schnittmenge in der Kantenlänge von ca. 550 m. Wenn dann die Feldstärke mit ausgewertet wird, lässt sich das Messergebnis verfeinern.

Genau an dieser Stelle helfen die nicht dokumentieren, versteckten AT-Befehle im GSM-Modul. Die Liste der Nachbarzellen und deren Zellen-ID sind mit den Standard-AT-Befehlen bereits lesbar. Mit den verdeckten AT-Befehlen lassen sich gezielt bekannte Zellen-IDs aus der Liste ausblenden. Das führt dazu, dass ein GSM-Modul sich dann in eine andere Basisstation einbuchen muss. Nach dem Wechseln der Zelle werden dann wieder die ID, der TA-Wert und die Feldstärke ermittelt und gespeichert. Nach einem weiteren Zellenwechsel sind drei Zellen-IDs, TA-Werte und die dazugehörende Feldstärke ermittelt.

Wenn mehr als drei Standorte ausgewertet werden, lässt sich die Genauigkeit nochmals erhöhen. Das Verfahren wurde verkauft und patentiert [1]. Die Pionierarbeit von damals ist inzwischen frei verfügbar und andere ähnliche Verfahren sind heute für alle IoT-Entwickler zugänglich, ein Bespiel ist Skyhook [2]. Das Unternehmen stellt Ortungsdienste über die Basisstationen zur Verfügung.


  1. Positionsbestimmung ohne Satellit
  2. Ortung per Mobilfunk braucht Basisstationen
  3. Ortung per WiFi

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