Smart Services für Energiesysteme

P2P-Energiehandel via Blockchain

11. Juli 2022, 6:00 Uhr | Alexander Krutwig
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Betriebssystem, Hardware und Testverfahren

Als Betriebssystem der Blockchain Devices wurde eine von Mixed Mode eigens entwickelte Linuxplattform verwendet, bei der alle Komponenten in Dockercontainern ausgeführt werden. Es basiert auf Debian und wurde durch einen eigenen Build Layer erweitert. Im Laufe von ETIBLOGG konnte das Betriebssystem erfolgreich auf Raspberry Pi 3B+ und i.MX8 portiert werden. Zudem konnten für die i.MX7- und i.MX8-Prozessoren Konzepte für Secure Boot erstellt werden. Das Betriebssystem wird mittlerweile standardmäßig in von Mixed Mode bearbeiteten Kunden- und Forschungsprojekten verwendet.

Ergänzt wird das Betriebssystem durch zwei größere Zusatzkomponenten LIUF (Linux Update Framework) [1] und HILF (Hardware-in-the-Loop Framework).

Mit dem LIUF ist es möglich, Aufwände und Risiken während des Updatevorgangs durch einen hohen Automatisierungsgrad zu minimieren. Zudem ist es möglich, Updates in verschiedenen Granularitätsstufen durchzuführen und neue updatefähige Subkomponenten einzubinden. Durch einen fail-safe Updatemechanismus sowie dank verschlüsselten und signierten Updatecontainern ist dabei zu jedem Zeitpunkt die Sicherheit im System gewährleistet.

Das HILF bietet die Möglichkeit über Tests, z.B. pytest oder Gherkin, Devices under Test (DUT) vollautomatisiert zu testen und dadurch die Qualität zu erhöhen. Der HiL-Simulator enthält den HILF-Server, für die Verbindung mit dem Steuerrechner, sowie Mock-ups der Hardware-Interfaces, um die betreffenden Schnittstellen des DUT zu bedienen. Das Framework ist anpassbar auf neue Anwendungen und wird über Docker in Continuous-Integration-Prozesse integriert.

Komplettiert wird das Linux-Betriebssystem durch ein Konfigurationsmanagement über Ansible Playbooks. Dieses kann dazu verwendet werden, Images nach eigenen Vorlieben zu personalisieren. Im Falle von ETIBLOGG konnte das Konfigurationsmanagement effektiv benutzt werden, um die Rollen der Blockchain Devices zwischen Produzent, Konsument und Prosumer zu tauschen bzw. zwischen verschiedenen Versionen des Handelsframeworks zu wechseln.

Der Realdemonstrator konnte erfolgreich in Betrieb genommen werden und lieferte trotz schwieriger Umstände in der Pandemie eine ausreichende Datengrundlage für eine betriebs- bzw. volkswirtschaftliche Auswertung. Aus dem Betrieb lassen sich folgende Potenziale für ein P2P-Energiehandelssystem herauskristallisieren:

  • Kleine lokale Systeme können, vielfach repliziert, in der Summe zur Entlastung von Netzen beitragen – durch die Fragmentierung des Strommarkts und die Dezentralisierung der Stromerzeugung.
  • Durch den lokalen Handel – auch mit Kleinstmengen – von Energie können ökonomische Anreize gesetzt werden, die einerseits die Steuerung von Konsumentenverhalten hin zu mehr regenerativ und lokal erzeugter Energie ermöglichen, aber auch den Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung und die Implementierung von Energiespeichern begünstigen.
  • Alle Konsumenten im System betreiben Kostenoptimierung, manche unter Beschränkungen (»grüner Strom«), manche ohne (»grauer Strom«). Das bedeutet, dass auch ein Grünstromproduzent im ETIBLOGG-System an der Preisschwelle von Konsumenten scheitern kann. Mit einer aktiven Preispolitik kann er aber in Situationen mit Unter- und Überangebot an grünem Strom gegensteuern.

Betriebswirtschaftlich erlaubt das ETIBLOGG-System dem Produzenten von »grünem Strom« über die freie Preisgestaltung die Abschöpfung von Preisbereitschaften durch Preisdiskriminierung, d. h. durch die Möglichkeit, für das gleiche Gut unterschiedliche Preise verlangen zu können, ist es Produzenten möglich, bei Produkteintritt den Preis möglichst hoch anzusetzen und diesen bei Erschließung des Marktes schrittweise zu senken. So werden Anreize geschaffen, Speicher zu nutzen, die es dem Energieerzeuger ermöglichen, sein Angebot an die Marktsituation anzupassen und damit zu einer Stabilisierung der Marktpreise zu sorgen.

Im aktuellen rechtlichen Rahmen ist ETIBLOGG allerdings zurzeit nur bedingt nutzbar, da Erzeuger, Lasten und Speicher im wettbewerblichen Umfeld agieren, wogegen Akteure auf der Netzebene als eine Art Monopol spezifischen Regularien unterworfen sind [2].

Mit dem Forschungsprojekt ETIBLOGG konnte ein erster Schritt in die Verwendung der Blockchain-Technologie für P2P-Energiehandel gemacht werden. Für die Umsetzung werden Embedded Blockchain Devices verwendet, deren Aufgabe es ist, über vom Benutzer gesetzte Präferenzen eigenständig mit anderen Teilnehmern des Netzwerks Energie zu handeln. Dies wurde mithilfe eines Labordemonstrators auf Energiemessen eindrucksvoll demonstriert und auch aus wirtschaftlicher Sicht konnten in den Simulationsläufen Einsparpotenziale entdeckt werden. Im zweiten Schritt wurde das Design auf einen Labordemonstrator portiert, der bei Fraunhofer IISB im Bereich der E-Mobilität eingesetzt wird und in Betrieb genommen wurde. Als Betriebssystem für die Devices wird eine von Mixed Mode entwickelte Linuxplattform mit eigenem Updateverfahren und Konfigurationsmanagement verwendet.

Literatur

[1] Schönberger, H.: IoT-Software pflegen: Einfach, flexibel und sicher mit LIUF. elektronik.de, 28. März 2022, www.elektroniknet.de/embedded/software/einfach-flexibel-und-sicher-mit-liuf.194739.html.

[2] Steinmetz, F.; Fiedler, I. und Ante, L.: Blockchain-basierter Handel von Strom und flexible Preise: Eine volkswirtschaftliche Bewertung der Potentiale und Risiken. Zum ETIBLOGG-Forschungsprojekt erstellter Bericht, 25. Oktober 2021.

 

Der Autor

Alexander Krutwig, Mixed Mode
Alexander Krutwig, Mixed Mode
© Mixed Mode

Alexander Krutwig

hat an der Technischen Universität München (TUM) an dem Lehrstuhl für Integrierte System im Dezember 2014 den Abschluss als Master of Science (M.Sc.) erzielt. Bei Mixed Mode ist er hauptsächlich in System-on-Chip-Projekten mit Xilinx- und Intel-Architekturen tätig. Die Hauptaufgaben liegen dabei in der Systementwicklung sowie der Firmware- und Applikationsentwicklung der eingebetteten Systeme in C.

Zudem war er technischer Leiter des BMBF-Forschungsprojekts SECREC bei Mixed Mode, dessen Gegenstand die Evaluierung der verbesserten Sicherheit von programmierbaren Systemen durch dynamische partielle Rekonfiguration sowie des BMWK-Forschungsprojekt ETIBLOGG bei Mixed Mode, dessen Gegenstand die Entwicklung eines eingebetteten Systems für den P2P-Energiehandel über Blockchain war.

alexander.krutwig@mixed-mode.de


  1. P2P-Energiehandel via Blockchain
  2. Betriebssystem, Hardware und Testverfahren

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