Rechtliche Belange des Software-Tests bei eingebetteten Systemen

10. Februar 2009, 11:02 Uhr | Dr. Stephan Grünfelder, Dr. Tobias Sedlmeier und Johannes Bergsmann
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Produzentenhaftung bei Software

Bereits vor Einführung der Produkthaftung innerhalb der EU durch die Richtlinie 85/374/EWG haben die Gerichte in vielen europäischen Ländern die sog. „Produzentenhaftung“ begründet. Sinn der Produzentenhaftung ist, die Nutzer von sicherheitsrelevanten Produkten vor Sach- und Personenschäden zu schützen und ihnen einen direkten Anspruch auf Schadensersatz gegen den Hersteller des Produkts zu geben, und zwar unabhängig davon, ob dieser oder ein Zwischenhändler der Vertragspartner ist. Die Produzentenhaftung besteht unabhängig neben der vertraglichen Haftung. Standard-Software wird von den Gerichten als „Produkt“ im Sinne der Produzentenhaftung gewertet, bei Individual-Software ist dies umstritten. Die Produzentenhaftung trifft zumeist (z.B. in Deutschland) nur den Hersteller der Software, nicht aber die Zwischenhändler, solange sie nicht vorgeben, Hersteller zu sein. Es ist umstritten, ob und inwieweit die Produzentenhaftung vertraglich beschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass dies nicht möglich ist, insbesondere gegenüber den Anwendern der Software.

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Nach der Produzentenhaftung haftet der Hersteller für Personen- und Sachschäden (also nicht für reine Vermögensschäden, dazu gleich noch Näheres im Abschnitt „Produkthaftung“), die dadurch verursacht sind, dass Entwicklung, Produktion und/ oder die Anweisungen und Warnungen in den Produkthandbüchern der Software nicht dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechen.

Die „Produktion“ beim Produkt Software ist ein Sonderfall. In der Regel sind entweder alle „Produkte“ (= ausgelieferte Kopien derselben Software) fehlerhaft oder keines, weil Software nur einmal erzeugt wird. Der Vorgang der Erzeugung kann zu einem Produktfehler führen, wenn etwa der verwendete Compiler fehlerhaft ist. Also muss sich ein Software-Lieferant auch gegen derartige Fehlerursachen absichern. Interessant ist auch, dass die Gesetze und Gerichte Fehler in Handbüchern explizit als Fehler des Produkts werten.

Die Ausführungen zur Produzentenhaftung machen deutlich, dass eine State-of-the-art-Prozess-Steuerung und -Qualitätssicherung notwendige Mittel sind, um das Risiko der Produzentenhaftung zu minimieren. Eine Nichtbeachtung anwendbarer Gesetze oder einschlägiger technischer Normen ist dagegen – unabhängig davon, ob die Beachtenspflicht vertraglich vereinbart wurde oder nicht – ein klarer Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht, der eine Produzentenhaftung auslösen kann.

Im Hinblick auf die Beweislast gilt bei der Produzentenhaftung ganz Ähnliches wie bei der vertraglichen Haftung: Der Geschädigte muss im Wesentlichen nur nachweisen, dass ein Fehler des betreffenden Produkts vorliegt und die Ursache des Fehlers aus dem Verantwortungsbereich des Herstellers stammt. Gelingt dies, kann der Hersteller seine Haftung nur dann abwehren, wenn er nachweist, dass er nach dem Stand der Technik den Fehler nicht hat erkennen und somit vermeiden können.

Produkthaftung

Durch die EU-Richtlinie 85/374/EWG wurde im gesamten EU-Raum das Instrument der Produkthaftung eingeführt, insbesondere zur Vereinheitlichung der in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlichen Standards der Produzentenhaftung. Diese Richtlinie wurde in den EU-Mitgliedsstaaten nochmals gesondert gesetzlich umgesetzt.

Ebenso wie bei der Produzentenhaftung wird Standard-Software von den Gerichten als „Produkt“ im Sinne der Produkthaftung gewertet. Bei Individual-Software ist dies hingegen umstritten. Nach der Produkthaftung muss der Hersteller, oder – wenn dieser nicht zu ermitteln ist – der Lieferant (!), dem Geschädigten denjenigen Personen- und Sachschaden ersetzen, der durch einen Sicherheitsmangel eines der Produkte des Herstellers eingetreten ist. Vereinfacht gesprochen, liegt ein solcher Sicherheitsmangel vor, wenn das betreffende Produkt nicht die Sicherheit bietet, die zum Zeitpunkt seiner Auslieferung durch den Hersteller nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erwartet werden kann. Anders als bei der Produzentenhaftung greift die Produkthaftung nicht bei solchen Schäden, die an gewerblich genutzten Sachen entstehen.

Die Produkthaftung entsteht verschuldensunabhängig, d.h., der Hersteller haftet für die o.g. Sach- oder Personenschäden nur dann nicht, wenn er nachweisen kann, dass

  • das betreffende Produkt von ihm nicht in den Verkehr gebracht wurde,
  • der betreffende Sicherheitsmangel bei Auslieferung noch nicht vorhanden war,
  • der Sicherheitsmangel aufgrund zwingender gesetzlicher Vorgaben in das Produkt integriert werden musste oder
  • der Sicherheitsmangel gemäß dem Stand der Wissenschaft und Technik bei Auslieferung nicht erkannt werden konnte.

Auch hier wird wiederum deutlich, dass Entwicklungs- und Produktionsprozesse gemäß dem Stand der Technik wichtig sind. Somit lässt sich zusammenfassend festhalten: Ist durch einen Sicherheitsmangel ein Personenschaden oder ein Sachschaden an einer privat genutzten Sache entstanden, so haftet der Software-Lieferant in nahezu jedem Fall. Die Produkthaftung kann vertraglich weder eingeschränkt noch beschränkt werden. Und der Kunde darf sich dabei immer an seinem unmittelbaren Zulieferer schadlos halten, der sich im Regress wiederum an seine Zulieferer wenden darf. Diese Regressansprüche sind jedoch vertraglich beschränkbar.


  1. Rechtliche Belange des Software-Tests bei eingebetteten Systemen
  2. Rechtliche Belange des Software-Tests bei eingebetteten Systemen
  3. Rechtliche Belange des Software-Tests bei eingebetteten Systemen
  4. Produzentenhaftung bei Software
  5. Rechtliche Belange des Software-Tests bei eingebetteten Systemen

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