iRead wird an Grundschulen getestet

Lesen lernen per App

25. Juli 2019, 17:00 Uhr | Selina Doulah
Neue Lernmethode entdeckt: Mit einer App lernen Kinder Lesen.
© Pixabay

Haben Schüler bisher mit der falschen Methode Lesen gelernt? Eine neue Methode, unterstützt von der App iRead, wird gerade an Grundschulen getestet; weitere Grundschulen können sich an dem Projekt beteiligen. Ein weiteres Projekt versucht die Lesefähigkeit der Kinder mittels Eye Tracking zu messen.

Diesen Artikel anhören

Eine anerkannte neue Theorie der Leseforschung besagt, dass Kinder bestimmte Lese- und Rechtschreibfähigkeiten allein durch selbständiges Lesen erwerben können. Es stellt sich daher die Frage, wie Leseanfänger möglichst effizient das Lesen erlernen. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Eine Methode aus dem angelsächsischen Raum, Phonics, basiert auf der Erkenntnis, dass manche Wortmuster komplexer sind als andere.

Wortmuster Schritt für Schritt lernen

Die Methode wurde auf die deutsche Sprache übertragen (Phontasia-Methode), indem Wörter entsprechend ihrer Wortmuster in unterschiedliche Schwierigkeitsklassen eingeteilt wurden. Kinder erlernen die Wörter durch immer wiederkehrenden Muster, die explizit gemacht werden müssen. Erst wenn eine sichere Wissensbasis geschaffen wurde, kann die nächst komplexere Stufe erlernt werden. Das heißt, erst wenn sie die Muster der einen Schwierigkeitsstufe beherrschen, werden sie mit der nächsten Stufe konfrontiert.

Eine gesonderte Rolle nehmen dabei hochfrequente Wörter ein, sie decken etwa 50 Prozent  eines normalen deutschen Textes ab. Solche Wörter kommen häufig vor, haben oft nur eine Silbe und sind relativ kurz (weniger als fünf Buchstaben). Darunter fallen Wörter wie wenn, aber, und etc. Die Wörter werden aufgrund des häufigen Erscheinens in Texten relativ bald von den Leseanfängern nicht mehr dekodiert, also Buchstabe für Buchstabe erfasst, sondern ganzheitlich als Bild erkannt.

Deutsche Rechtschreibung ist nicht lautgetreu

Im Gegensatz zu der üblichen Schwingmethode, die in Schulen weit verbreitet ist und vorgibt, dass man Mutter wie Mut-ter ausspricht, erkennt die Phontasia-Methode an, dass der zweite Konsonant nicht hörbar (also magisch) ist und die deutsche Orthographie daher nicht lautgetreu. 

Das einfachste Muster auf Lernstufe 1 findet sich in einem zweisilbigen Wort (Trochäe) mit Betonung auf der ersten Silbe. Die Buchstabenfolge beginnt mit einem Konsonantenbuchstaben, gefolgt von einem langen Vokal, einem Konsonantenbuchstaben und schlussendlich der Reduktionsendung, wie B-e-s-en oder r-a-t-en.

In Lernstufe 1 ist die Buchstaben-Laut-Übereinstimmung am größten, es gibt beim Dekodieren kaum unterschiedliche Möglichkeiten, die Buchstaben in Laute umzuwandeln. Die Lernstufe kann in Analogie zur ersten Lernstufe in der englischen Phonics Methode gesehen werden: cut, cat, hat.

Lernstufe 2 umfasst die gleiche Wortstruktur, nimmt aber den magischen Buchstaben hinzu. In Analogie zum Englischen wird hier ein Buchstabe dazu verwendet, die Vokalqualität zu verändern. Im Englischen dient das »silent-e« dazu, den vorhergehenden Vokal zu verändern, wie in hat wird zu hate oder cut zu cute. Im Deutschen dient der verdoppelte Konsonantenbuchstabe, den man nicht hören kann (daher magisch), und der auch keine Silbengrenze darstellt, dazu, den vorhergehenden Vokal zu kürzen. Etwa: R-a-tt-e-n oder B-e-tt-e-n.

Spielend Lesen und Schreiben lernen

Wissenschaftler der DHBW Karlsruhe wirken mit an der Entwicklung der Lese-App iRead, ein von der EU gefördertes Projekt mit der DHBW Karlsruhe als Partnerhochschule. Das Projekt bietet hunderte von Spielen auf Graphem, Wort und Satzebene für die 1. – 6. Klasse an. Einige Übungen sind nach dem Phontasia-Prinzip aufgebaut, das einen nachweisbar positiven Lerneffekt auf das Lesen und Schreiben der Kinder hat. Momentan testen erste Grundschulen in Karlsruhe die Lese-Apps im iRead Projekt. Projektleiterin Kay Berkling, Professorin an der DHBW Karlsruhe betont, dass noch weitere Grundschulen teilnehmen können, da noch 600 Kinder für dieses Pilotprojekt gesucht werden.

Ein weiteres Projekt der DHBW Karlsruhe wird von Professorin Birgit Franken, wissenschaftlicher Leiterin des Eye Tracking-Labors der DHBW Karlsruhe durchgeführt. Es versucht die Lesefähigkeit der Kinder mittels Eye Tracking zu messen. Dabei geht es darum, die Blicke der Kinder beim Lesen aufzuzeichnen. Auf diese Weise lassen sich Wörter unterschiedlicher Schwierigkeitsklassen und hochfrequente Worte in Bezug auf die Lesegeschwindigkeit vergleichen und somit Rückschlüsse auf die Lesefähigkeit der Kinder ziehen. Auch hier konnten erste vielversprechende Tests an Karlsruher Grundschulen und auf dem Wissenschaftsfestival »Effekte« durchgeführt werden.

Ziel ist es, die Methodik so zu verfeinern, dass Leseanfängern entsprechend ihrer Bedürfnisse spezifische Übungen angeboten werden können, die gezielt bestimmte Wortmuster einüben. Nach anfänglich vielversprechenden Ergebnissen in diesem Jahr, soll nun anhand größerer Datenmengen gezeigt werden, dass die Spiele einen direkten positiven Effekt auf Lesen und Schreiben haben können, wenn sie im Unterricht als Zusatzübung angeboten werden.


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Matchmaker+