Kleinstes passives Bauelement der Welt

Wie sinnvoll ist eine weitere Miniaturisierung von passiven Bauelementen?

25. April 2012, 17:17 Uhr | Engelbert Hopf

Mit dem RC0075 hat Yageo Anfang des Jahres das bislang kleinste kommerzielle erhältliche passive Bauelement der Welt vorgestellt. Der Chip-Widerstand misst 0,3 x 0,15 mm und ist damit etwa 44 Prozent kleiner als die bisher erhältlichen Bauteile der Größe 01005 (0,4 x 0,2 mm). Doch die Branche bleibt skeptisch.

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Yageo sieht in der Produktvorstellung einen Beweis seiner Innovationskraft auf dem Gebiet der weiteren Miniaturisierung von Dickschichtwiderständen. Als Zielmärkte für die kleinsten Widerstände der Welt werden Applikationen im Bereich Smartphones, HF-Module, Tablet-PCs und SD-Karten genannt.

In der Roundtable-Diskussion »Passive Bauelemente« der Markt&Technik gingen die Meinungen über die Bedeutung dieser Innovation auseinander. Die Hauptfrage die sich die Diskutanten stellten: Wo sind die Applikationen für ein solches Bauteil? Uwe Reinecke (AVX) sieht für sein Unternehmen keinen Bedarf an einem Bauteil dieser Größe. Lüthje (Vishay) tippt auf sportiven Ehrgeiz: »Man kann sagen, man hat das kleinste Bauteil am Markt. Die Frage ist nur, wer kauft einem das ab, und auch wenn sich jemand findet der ein, zwei Chargen davon abnimmt, kann man nicht davon sprechen, dass sich dadurch ein neues Marktsegment eröffnet hat.«

Frey (Panasonic) vermutet, das mögliche Anfragen in erster Linie mit Benchmarking zu tun haben: »Ich sehe das ähnlich wie bei den Bauteilen der Größe 01005. Ich habe da mal die Kollegen der Bestückungsmaschinen-Division von Panasonic gefragt und die Auskunft dort lautete, 0201 sei inzwischen bei europäischen Anwendern ein Standard geworden, bei 01005 sehen die das aber noch nicht, geschweige denn bei noch kleineren Bauelementen.«

Ähnlich beurteilt Sperlich (Murata) die Situation, speziell in Europa. Wie Taiyo Yuden hat auch Murata bislang bereits Bauteile der Baugröße 01005 in Milliardenstückzahlen produziert, »die einzigen Produkte dieser Art, die wir in Europa bislang verkauft haben, gingen mal an den Bestückungsautomatenhersteller Siemens.« Auch in diesem Fall dürften Testzwecke der alleinige Hintergrund der Bestellung gewesen sein.

Fazit der Diskussionsteilnehmer: Diskreten Bauelementen kleiner 01005 dürfte wohl kaum die Zukunft gehören. Sie setzen für die Zukunft vor allem auf integrierte Lösungen. Seien es nun LTTC-Module für Anwendungen mit besonders hohen Temperaturgradienten, oder andere Modulformen, die wie Beck (TDK-EPC) erläutert, »mehrere Funktionen wie Widerstände, Kondensatoren, Induktivitäten oder andre Bauelemente integrieren«.  Treiber dieser Entwicklung sind für Beck vor allem Smart-Phone-Applikationen.

Dr. Albertsen (Jianghai Europe) verweist in diesem Zusammenhang noch auf die, in einem Halbleiterprozess hergestellten Produkte von IPDiA, »das sind sehr temperaturstabile Einzelbauteile, die ich entweder über Bondverbindungen mit anderen Bauteilen verbinden kann, oder ich kreiere daraus halbleiterbasierte Modullösungen für ganz spezielle Applikationsbedürfnisse.« Diese lösungsspezifischen Anwendungen kämen aber nur dann zum Einsatz, wenn es dafür eine technische Notwendigkeit gäbe, »und bei einem Einzelbauteil kleiner 01005 sehe ich die technische Notwendigkeit für ein solches Standardprodukte derzeit nicht.«

Frey, Konz (Würth Elektronik Group) und Sauer (Samsung Electro-Mechanics) sehen die Lösung in Zukunft vor allem in der Integration, unter anderem passiver Funktionen, in Leiterplatten, wie sie unter anderem von Würth und AT&S angeboten werden. Die Vorteile liegen im Bereich der elektrischen und thermischen Eigenschaften. Für die wachsende Bedeutung von Embedded-Lösungen sorgen beispielsweise die Applikationsprozessoren für Smartphones, wie Sauer erläutert: »Diese Applikationsprozessoren mit mehr als 1 GHz greifen fast ausschließlich auf ein Chip Scale Packaging zurück und da sind dann nur Embedded Bauteile möglich«.

Einziges Problem der Embedded-Versionen: Nach dem Bestückungsvorgang sind keine Reparaturen mehr möglich. Scheint so, als gäbe es noch eine Zukunft für kompakte und Performance starke, diskrete passive Bauelemente.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Berichterstattung zum Markt&Technik-Forum »Passive Bauelemente«. Die gesamte Berichterstattung lesen Sie im Sonderheft 3/2012 »Passive Bauelemente & Elektromechanik«.


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