Europas leistungsstärkster Rechner »SuperMUC« setzt weltweit als einer der ersten Computer eine neue Warmwasser-Kühltechnik ein. 90 Prozent der Energie, rund 850.000 Euro pro Jahr, werden so eingespart.
Im Winter wird die Abwärme zur Gebäudeklimatisierung genutzt. Das innovative Kühlsystem soll auch die nächste Verdoppelung der Rechenleistung überdauern.
Die Leistungsaufnahme von Höchstleistungsrechnern liegt derzeit im Bereich einiger Megawatt. »Derzeit«, wohlgemerkt, denn bereits ab 2018 wären es ohne Weiterentwicklungen des technischen Fortschritts mindestens 180 Megawatt, so eine vom US-Verteidigungsministerium finanzierte Studie. Das wäre unbezahlbar und inpraktikabel. Heute verschlingt schon die Kühlung »normaler« Rechenkapazitäten zusammen mit der unterbrechungsfreien Stromversorgung gut 40 Prozent des gesamten eingesetzten Stroms - bei steigenden Strompreisen ein enormer Kostenblock.
Umso bahnbrechender erscheint vor diesem Hintergrund ein Ende Juni vom Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München präsentierter Höchstleistungsrechner, gebaut von IBM: Der »SuperMUC« genannte Super-Rechner schafft nicht nur 3 Billiarden Rechenoperationen (3 Petaflops, das entspricht in etwa der Rechenleistung von 110.000 Haushalts-PCs) in der Sekunde, sondern gehört gleichzeitig mit einer Energieeinsparung von bis zu 40 Prozent gegenüber herkömmlichen Systemen zu den energieeffizientesten Anlagen seiner Art.
Möglich macht das eine Innovation, bei der ein zusätzlicher Kühlkreislauf für die direkte Kühlung von CMOS-Rechnerkomponenten wie Prozessor, Hauptspeicher, Chipsatz etc. mit bis zu 55 °C warmem Wasser im Rechnersystem installiert wurde. IBM brachte die Wasserkühlung so direkt wie möglich an die Chips und setzte auf leistungsfähige Mikrokanalkühler, montiert auf deren Rückseite. Dieser Warmwasserkühlkreislauf hält mit einer Leistung von 8 Megawatt den Rechner auf Betriebstemperatur und hat folgende Vorteile: Die Rechner können ganzjährig mit rein freier Kühlung arbeiten, also ohne den Einsatz von Kältemaschinen. »Damit liegt der Energieaufschlag für die Kühlung der Systeme insgesamt bei nur 10 Prozent“, erklärt Dr. Herbert Huber, Gruppenleiter Computer-Server am Leibniz-Rechenzentrum.
Am energieeffizientesten im Rahmen der freien Kühlung seien Warmwassertemperaturen von ca. 25 °C auf der Einlassseite. Im Bereich von 27 bis 50 °C steige bei gleicher Last die Leistungsaufnahme des Systems nur um etwa 5 Prozent. »Dieser Leistungsanstieg wird durch Leckströme der CMOS-Komponenten im Rechner verursacht, die mit der Betriebstemperatur wachsen«, erklärt Huber. An heißen Tagen erreiche die Vorlauftemperatur des Wassers etwa 45 °C - und schlägt immer noch herkömmliche Luftkühlsysteme, denn Luft ist ein schlechter Wärmeleiter. Wasser ist 300-fach besser geeignet, da es Wärme effizienter speichert und abführt: »Durch die hohe Kühlungseffizienz liegt die Leistungsaufnahme bis zu Wassereinlasstemperaturen von 60 °C unter der Leistungsaufnahme von Rechnern, die mit 20 °C kühler Luft gekühlt werden«, sagt Huber.
Für die Bemessung der Energieeffizienz eines Rechenzentrums wird der international anerkannte PUE-Wert herangezogen, der für »Power Usage Effectiveness« steht und von der Organisation »The Green Grid« eingeführt wurde. Der PUE-Wert setzt die insgesamt eingesetzte Energie für den Rechenzentrumsbetrieb in Relation zu der Energie, die nur von den IT-Systemen wie Server oder Storage selbst benötigt wird. In einem effizienten Rechenzentrum fließ nahezu der gesamte Strom in die Server und nur minimal in USV und Kühlung. Der durchschnittliche PUE-Wert großer Rechenzentren in Deutschland liege nach Angaben von Huber bei 1,7, aber auch Werte von 2 oder sogar 3 seien keine Seltenheit. SuperMUC unterbiete das mit einem PUE-Wert von unter 1,1 im Jahresverlauf. Im Winter heizt SuperMUC mit seiner Abwärme das Gebäude. Im Sommer wird die Abwärme mittels Adsorptionskältemaschinen in Prozesskälte umgewandelt - und klimatisiert die Räume.
85 Mio. Euro hat das Land Bayern in IBMs Super-Rechner investiert, der in China gefertigt wurde. 800.000 Euro hat dabei der Kühlkreislauf ausgemacht - die Kosten sollen sich schon nach drei Jahren Betrieb amortisiert haben. SuperMUC soll fünf Jahre laufen - und dann von einer neuen Rechnergeneration abgelöst werden. Die Kühltechnik werde jedoch auch die nächste Rechnergeneration überdauern, glaubt Huber. Wöchentlich erhalte er Anfragen von anderen Rechenzentren aus aller Welt, die sich für den Einsatz dieser Technologie interessierten und sieht sich damit als »Geburtshelfer« für den Einsatz freier Kühlung auch in wärmeren Gefilden als Nordeuropa. Allerdings sei die Skepsis im industriellen Umfeld angesichts »Wasser im Rechenzentrum« noch groß, obwohl bereits in den 1960er-Jahren Flüssigkeitskühlung bei Großrechnern im Einsatz war. Hier gilt es also, noch Überzeugungsarbeit zu leisten. »Da haben wir es im akademischen Umfeld leichter gehabt«, überlegt Huber.
Für den SuperMUC gab es jüngst einen Preis: In der Kategorie »energie- und ressourceneffiziente Rechenzentren« wurde dem Leibnitz Rechenzentrum im April in Sinsheim der »Deutsche Rechenzentrumspreis« verliehen. Geht es denn überhaupt noch effizienter? Potenzial sieht Huber noch bei den Netzteilen. Die seien noch luftgekühlt. Wenn es gelänge, sie in Zukunft mit Wasser zu kühlen, könne man nahezu 100 Prozent Energieeffizienz erreichen. SuperMUC ist davon nur noch 10 Prozent entfernt.
Vorläufer Aquasar
Vorläufer von SuperMUC war 2009 ein Projekt von des IBM Forschungslabor Zürich, der ETH Zürich, der ETH Lausanne und des Schweizer Kompetenzzentrum für Energie und Mobilität (CCEM) mit Namen »Aquasar«. Das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften auf dem TU-Campus in Garching bei München ist der IT-Dienstleister für die bayerischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen und »versorgt« 120.000 Wissenschaftler und Studenten. Zusammen mit Partnerzentren in Jülich und Stuttgart bildet das LRZ das nationale »Gauss Centre for Supercomputing (GCS)« und gehört dem europäischen Supercomputer-Netzwerk »Partnership for Advanced Computing in Europe (PRACE)« an. Ausgewählte wissenschaftliche Projekte dürfen die gigantische Rechenleistung nun nutzen: unter anderem ein Strukturmodell des Erdinneren, um Erdbebenrisiken abzuschätzen, und ein »fliegendes Teleskop« als Alternative zum Satelliten.