Milan Nitzschke auf der Intersolar 2013

Der Anti-Dumping-Kämpfer

26. Juni 2013, 14:24 Uhr | Hagen Lang
EU PronSun-Präsident Milan Nitzschke will gleiche Rahmenbedingungen für alle Hersteller.
© SolarWorld

Kein Blatt vor den Mund nahm Milan Nitzschke, Präsident des Solarhersteller-Verbandes EU ProSun bei unserem Interview auf der Intersolar. China »will am Ende den Weltmarkt zu 100 Prozent haben« und neben der Solarenergie die Windenergie, Elektromobilität und den Maschinenbau. Man müsse jetzt handeln.

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Hagen Lang, Energie& Technik (E&T): Ihr Verband EU ProSun hat sich in Brüssel für die Auferlegung von Anti-Dumping-Zöllen auf chinesische Solarmodule ausgesprochen. Wie ist da momentan der Stand?

Milan Nitzschke, Präsident von EU ProSun: Die EU-Kommission hat Anti-Dumping-Maßnahmen verhängt, gegenwärtig gilt ein Zoll auf chinesische Produkte, der steigt noch einmal zum 6. August an, auf 47 Prozent im Schnitt. Das ist auch dringend notwendig, weil China systematisch unter den eigenen Herstellungskosten in Europa verkauft, um immer mehr Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Heute hat China schon 84 Prozent Marktanteil in Europa und die eigentlich besseren Hersteller aus allen Teilen der Welt haben keine Chance, solange der chinesische Staat diese Billig-Module immer weiter subventioniert.

E&T: Jetzt gibt es das Argument, dass das ein Markteingriff wäre, was antworten Sie darauf?

Nitzschke: Es gibt es internationales Handelsrecht, wir leben in einem Rechtsstaat, auch die Europäische Union ist ein Rechtsstaat und jeder muss sich an das Recht halten. Wenn einer das nicht tut, dann ist das wohl ein Eingriff. China dumpt, Dumping ist verboten. Der chinesische Staat subventioniert diese Dumping-Preise - ebenfalls verboten, nach WTO-Recht. Alles was wir machen ist sagen: »Wendet das Recht an!« Das ist kein Markteingriff, das ist notwendig, denn ohne Recht und Gesetze brauchen wir uns nicht die Illusion machen, dass wir ordentlich handeln können.

E&T: Wie muss man sich denn die chinesische Förderpolitik vorstellen?

Nitzschke: China ist eine Planwirtschaft. China arbeitet mit Fünf-Jahres-Plänen. Der Fünf-Jahres-Plan sieht vor, dass alle Solarindustrieunternehmen in China finanziell gefördert werden und, dass alle, selbst diejenigen, die eigentlich schon bankrott sind, weil sie ständig mit Preisen unter den eigenen Kosten anbieten, dass all diejenigen von den staatlichen Banken in China Kredite bekommen. Das hat inzwischen dazu geführt, dass in China eine Überkapazität aufgebaut wurde, die doppelt so groß ist, wie der gesamte Weltmarkt. Das heißt, in China können zweimal so viele Solarmodule gebaut werden, wie weltweit gekauft werden können. Jetzt wollen diese Unternehmen natürlich auch irgendwie diese Produkte absetzen, können das aber nur über den Preis und unterbieten sich alle gegenseitig und machen den Wettbewerb kaputt.

Im Übrigen leiden auch die chinesischen Unternehmend darunter, denn die machen ja Verlust. Der chinesische Staat leidet darunter, weil er finanziert das ja. Aber das Ziel ist, man will am Ende den Weltmarkt zu 100 Prozent haben. Dann holt sich China das Geld wieder zurück. Wer die Preise nach unten diktiert im Monopol, kann die Preise nach oben diktieren, im Monopol. Am Ende zahlen wir als Verbraucher alle den Monopol-Preis. Das ist die Idee, wie das chinesische System funktioniert.

E&T: Wie kann man denn als EU oder Deutschland mit einem China umgehen, dass eine staatliche, merkantilistische Perspektive einnimmt?

Nitzschke: Das ist genau der Punkt. China ist kein Handelspartner im üblichen Sinne. China verfolg eine staatliche Strategie und agiert zwar nicht als Einheit, nicht alle chinesischen Unternehmen kann man in einen Topf werfen, aber die Finanzierung erfolgt einheitlich durch den Staat. Damit steuert der Staat auch das Geschehen. Das muss man sich vergegenwärtigen. In Deutschland zum Beispiel wird häufig der Eindruck erweckt, wir wären einfach technologisch den Chinesen nicht mehr gewachsen und wirtschaftlich wären die stärker. Hallo?

Das ist eine Planwirtschaft. Auch die DDR war nicht stärker als die Bundesrepublik und auch die Sowjetunion nicht. China verbrennt Milliarden in ineffizienter Technologie. Aber natürlich, mit diesen Subventionen kann man sich Industriezweige quasi schon erräubern. Das ist das, was passiert, da kann man nur gegenhalten. Denn eins ist klar: Solar ist der Anfang. Windenergie kommt danach, Elektromobilität, der Maschinenbau, all das steht auf der Liste des Fünf-Jahres-Planes und wenn nicht hier jetzt ein Stopp-Schild gesetzt wird, dann werden wir all diese anderen Industrien auch sukzessive an China verlieren. Denn das ist nun mal die Absicht eines Planes, der vorsieht, dass Überkapazitäten geschaffen werden, und mit Dumpingpreisen am Markt agiert wird.

E&T: Wie erklären Sie sich denn, dass große Staaten wie die USA oder die EU so einer gesteuerten staatlichen Aktivität fast wehrlos gegenüber treten.

Nitzschke: Man ist ja nicht wehrlos, deswegen gibt es ja geltendes Recht, China ist Mitglied der WTO, will Vollmitglied werden, die Vereinigten Staaten sind Mitglied der WTO, die Europäische Union und hunderte andere, und alle haben das Gleiche unterschrieben: Dumping ist verboten. Deswegen gibt es auch in Europa ein Anti-Dumping-Recht, das wird angewandt, deswegen haben wir jetzt die Zölle. Klar ist nur, die Politik darf sich jetzt nicht von China erpressen und einschüchtern lassen. Das ist ja jetzt passiert. China hat überall in den Mitgliedsstaaten die Botschafter entsandt und gesagt: »Ihr dürft nicht für diese Zölle stimmen, weil dann ziehen wir unsere Investitionen zurück.« Oder: »Deutschland darf nicht für die Zölle stimmen, sonst erheben wir Zölle auf Autos.« Das sind Mafia-Methoden. Da kann man einfach nur sagen: »Sorry, aber erpressbar sind wir nicht, wir wenden das geltende Recht an, ihr habt es doch auch unterschrieben.« Das geht mit den Zollmaßnahmen. Die USA haben es vorgemacht, da gibt es einen Zoll seit letztem Jahr, mit großem Erfolg, denn trotz der Zölle ist der Markt richtig explodiert in den USA, wir haben dort viel mehr Arbeitsplätze in der Solarbranche als vorher, und die chinesischen Importe sind allerdings zurückgegangen, denn dort ist Dumping nicht mehr zulässig. Und jetzt hat die EU-Kommission es getan und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dürfen jetzt natürlich der EU-Kommission nicht in den Rücken fallen. Wir müssen klarmachen: »Nein, die Zölle sind nötig und Dumping ist verboten.« Punkt aus.

E&T: Nun entscheidet die EU im Dezember über die Weiterführung der Zölle. Ist es nicht so, dass China damit rechnet, dass dies keine Mehrheit bekommen wird unter den EU-Staaten und sich jetzt zurücklehnen und sagen kann, ab Dezember haben sie kein Problem mehr?

Nitzschke: Also wenn China jetzt glaubt, gewonnen zu haben, dann irren sie sich. Aber das wäre ja gar nicht so schlecht, sollen sie ruhig in dem Glauben bleiben. Die Realität ist ja anders. Die Europäischen Mitgliedsstaaten haben in einer unverbindlichen Abstimmung zunächst einmal nicht für Zölle gestimmt, sondern haben gesagt: »Wir wollen Verhandlungen.« Wenn China diese Staaten jetzt enttäuscht, indem überhaupt kein Verhandlungsangebot gemacht wird, das substantiell ist, dann sehe ich nicht, wie die gleichen Mitgliedsstaaten Europas dann nochmal sagen sollen, »Wir sind immer noch gegen Zölle.« Man darf sich ja nicht beliebig verschaukeln lassen. Ich rechne damit, dass eine klare Mehrheit für Zölle stimmen wird, für endgültige Zölle, die dann über fünf Jahre gelten, wenn China nicht vorher ein ordentliches Verhandlungsangebot macht. Das wäre ja herzlich willkommen. Dann würde sich alles in eitel Sonnenschein auflösen. Nur: China dumpt schon seit drei Jahren und hat kein Angebot gemacht, jetzt müssen sie dann kommen.

E&T: Die Kohlesubventionen wurden sehr kritisiert in der Vergangenheit, jetzt haben wir eine Zahl gehört: Etwa 100 Milliarden werden in die Photovoltaik fließen. Im Gegensatz zu den Kohlesubventionen fließen diese Subventionen aber auch nach China. Ist das nicht ein Webfehler der Förderung, den man dringend ändern müsste?

Nitzschke: Die Rede ist immer von Subventionen, alles wird in einen Topf geworfen. Tatsache ist: Das Erneuerbare Energien Gesetz fördert Strom aus erneuerbaren Energien. Jeder der sauberen Strom produziert, soll dafür auch einen Preis bezahlt bekommen, mit dem er den Strom erzeugen kann. Das ist die Idee, das ist die Vergütung des Erneuerbare Energien Gesetzes. Tatsächlich ist es so, dass damit jede Solaranlage, jede Windkraftanlage gefördert wird, egal wo sie herkommt. Bei einem Marktanteil im Solarbereich von 84 Prozent »China« gehen entsprechend 84 Prozent des Anteils, der auf Module entfällt, an chinesische Hersteller. Da kann man sagen: »Das ist absurd«, ja, aber es ist gleichzeitig einfach nicht diskriminierend, es ist eigentlich sogar in Ordnung oder es wäre in Ordnung, wenn China diesen Marktanteil fair erlangt hätte. Das Problem ist, dass China quasi den Marktanteil geklaut hat, mit Dumpingpreisen, die unzulässig sind, dann heißt das: Die handeln mit illegalen Produkten. Und diese illegalen Produkte werden dann darüber gefördert. Das muss aufhören. Nicht das EEG ist falsch, dass das Anti-Dumping-Recht bisher nicht angewendet wurde, das ist falsch und das müssen wir jetzt tun.

E&T: Welche Signale bekommen Sie von Ihren Kollegen aus der Industrie?

Nitzschke: Ich selber vertrete 40 Solarhersteller aus Europa in der Initiative EU ProSun. Das sind Hersteller von Wafern, Zellen und Solarmodulen, aus fast allen Ländern Europas, weit mehr als die Hälfte aller, die wir haben. Große Unterstützung, weil alle in der gleichen Situation sind. Wir erhalten Unterstützung von Unternehmen aus anderen Ländern, weil die auch wissen, Südkoreaner zum Beispiel, die können auch nicht gegen chinesisches Dumping konkurrieren. Wir erhalten Unterstützung von Installateuren, die sagen: »Wir wollen kein chinesisches Monopol. Wir wollen Module aus Deutschland kaufen, aus Italien kaufen, auch aus Korea oder aus Taiwan kaufen.« Wenn aber China mit der Dumping-Strategie durchkommt, dann ist am Ende kein Wettbewerb mehr da. Und, im Übrigen, alleine die Unternehmen, die bei EU ProSun sind, da sind rund 4.000 Installationsbetriebe, die an diese Unternehmen angeschlossen sind, das ist schon eine gewaltige Masse.

Dann erhalte ich erstaunlicherweise auch Unterstützung von chinesischen Unternehmen, die nämlich alle gerade im Sinkflug sind, weil sie sich ja ständig gegenseitig unterbieten müssen. Die hätten ein sehr großes Interesse daran, dass eine Einigung mit der EU gefunden würde, die festlegt, dass man einfach oberhalb der Dumpingpreise bleibt. Das ist möglich, es gibt eine Regelung, nach der man eine Verpflichtungsvereinbarung treffen kann, zwischen China und Europa und dann wird ein Preislevel festgelegt, der nicht mehr unterschritten wird. Damit könnten alle großen chinesischen Unternehmen sehr gut leben und ehrlich gesagt wünschen sie sich das auch, weil sie nämlich nicht wissen, wie sie sonst überleben sollen, wenn sie sich immer weiter gegenseitig unterbieten. Klar ist, auch in China wird eine Marktkonsolidierung stattfinden, da bleiben sechs, sieben Stück über, keiner weiß genau, wer es ist.

E&T: Welche Schritte erwarten Sie für die nahe Zukunft?

Nitzschke: Gegenwärtig finden Verhandlungen statt zwischen Brüssel und Peking, wir wissen nicht, was da rauskommt, wenn es ein gutes Ergebnis wäre, dann wäre der Prozess schnell abgeschlossen, das wäre prima. Wenn da kein Ergebnis rauskommt, und unsere Erfahrung ist eben, dass China überhaupt nicht mit vernünftigen Vorschlägen kommt, dann wird es länger dauern, dann werden wir im November eine Abstimmung der Mitgliedsstaaten haben. Wenn bis dahin immer noch kein ordentlicher Vorschlag aus China vorliegt, dann gehe ich davon aus, dass die Mitgliedsstaaten für die Einführung von Zöllen stimmen werden, die haben wir dann ab Dezember und danach ist das Dumping raus aus dem europäischen Markt.

E&T: Vielen Dank, Herr Nitzschke.

 

Das Interview führte Hagen Lang


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