Das Smart Home wird sich auf Geschäftsmodelle etablierter Firmen auswirken, neue Firmen werden sich Märkte erobern. Den Energieversorgern, die schon die Energiewende zwingt, in neue Gefilde aufzubrechen, bietet sich im Smart Home ein große Chance.
»Die Energieversorgungsunternehmen stehen unter einem erheblichen Druck. Die Veränderung der allgemeinen Rahmenbedingungen führt dazu, dass neue Geschäftsansätze und Kundenbeziehungsmodelle entwickelt werden müssen«, sagt Yüksel Sirmasac, CEO von Rockethome.
Wie können sie die Situation abwenden? Für Yüksel Sirmasac ist eines klar: Sie müssen ihre Strategie ändern, ihr Geschäftsgebiet erweitern und neue Umsatzquellen erschließen. Eine Möglichkeit wäre, energetische Produkte in die Haushalte ihrer Kunden zu bringen. »Die EVUs müssen sich zu Energie-Dienstleistern wandeln und dafür Geschäftsmodelle entwickeln. In drei bis vier Jahren können sie dann im Rahmen des Smart Home auf Basis von Kraft-Wärmekopplung und Speichern Demand-Response-Modelle anbieten und Lastverschiebungen durchführen.«
Allerdings geht Yüksel Sirmasac nicht davon aus, dass die Energieversorger die ersten sein werden, die Produkte in den Smart-Home-Massenmarkt bringen werden. Ein Blick über den Atlantik lohnt, um zu erfahren, was sich derzeit auf dem Smart-Home-Markt tut. Eines der sehr interessantes Smart-Home-Produkte hat AT&T mit Digital Live in den USA auf den Markt gebracht. Der Smart-Home-Bereich von AT&T ist sehr schnell gewachsen, gemessen an der Anzahl der Kunden, der Anzahl der Geräte und auch an der Zufriedenheit der Kunden mit dem System, sei das Projekt laut Sirmasac ein voller Erfolg. Das von der Deutschen Telekom angestoßene Qivicon-Konzept auf Basis einer offenen Plattform (OSGi) könnte sich nach seinen Worten ebenfalls zu einer Erfolgsstory entwickeln: »Es hat alle Voraussetzungen, um zum Best-Practice-Modell für den Rest der Welt aufzusteigen.«
Doch worin sieht er die Voraussetzungen, dass sich Smart Home tatsächlich auf breiter Front durchsetzt und zum Massenmarkt aufsteigt? Vor allem nennt er den Komfort und die Sicherheit, aber auch an vorderer Stelle die Energieeffizienz und nicht zu vergessen den Gesundheitsbereich und hier vor allem die Versorgung älterer Menschen. Sie können viel länger als bisher in ihren eigenen vier Wänden leben – falls ihr Heim intelligent ausgestattet ist.
Um das Potenzial aber umsetzen zu können, müssen verschiedene Faktoren gegeben sein. Für den Bereich der Energieeffizienz bedeutet dies: Die Vernetzung von Gewerken wie Elektrizität, Wasser, Gas, Kraft-Wärmekopplung und Photovoltaik. Der Kundennutzen liegt darin, dass ihm sein Energieverbrauch plötzlich transparent dargestellt wird. »Das ist an sich schon viel Wert!«, ruft Sirmasac aus.
Allerdings ist er sich darüber klar, dass dies alleine den Kunden kaum vom Hocker reißen wird. Die Erfahrung aus Pilotprojekten zeigt, dass der Spaß am Neuen – also die Möglichkeit, den Energieverbrauch praktisch live verfolgen zu können – schon nach kurzer Zeit merklich nachlässt, die Verweildauer sinkt drastisch. »Folglich sind Kunden auch nicht bereit, dafür langfristig zu zahlen – schon gar nicht hohe Investitionen zu tätigen.«, so Sirmasac.
Also muss noch mehr hinzukommen, um den Kunden tatsächlich vom Nutzen des Smart Home zu überzeugen und vor allem zu begeistern. Sirmasac nennt Beispiele: Das »Steuererlebnis« sei entscheidend. Bei Rockethome nennen sie diese Verknüpfung von Transparenz und Kontrolle „Home-Energy-Management“. Schaltet sich das Licht ein, wenn der Kunde das auf seine Lieblingstemperatur gebrachte Bad betritt, dann vermittelt dies ein Erlebnis, in dem auch Emotionen mitspielen. Der Hausbewohner hat das Gefühl, dass sein Heim sich auf ihn einstellt, dass er aber durchaus die Kontrolle behält und mit seinen Wünschen im Vordergrund steht. »Genau das bringt einen hohen Kundennutzen und das honorieren die Leute«, meint Sirmasac. Dasselbe gelte für viele weitere Komfort-Funktionen, für Sicherheitsfunktionen, Funktionen im Rahmen des medizinischen Umfelds und weitere Funktionen, an die wir heute noch gar nicht denken.
Eine weitere Voraussetzung, dass die potenziellen Endkunden das Smart Home honorieren: sie müssen mit dem System einfach und intuitiv umgehen können. Die Funktionsweisen, die das Smart Home ermöglichen, sind hochkomplex, aber die Komplexität muss sich auf den für die Nutzer nicht sichtbaren Ebenen abspielen. Das Smart Home soll schließlich den Alltag erleichtern. Der Anwender muss über einfach zu bedienende und ästhetisch ansprechende Oberflächen sein Haus auf seine Anforderungen zuschneiden können. »Die Oberflächen müssen nicht gleich einen Design-Wettbewerb gewinnen, aber sie müssen gut aussehen und den Endkunden begeistern«, so Sirmasac. Alles was der Kunde will ist ein Plug-and-Play-System, das funktioniert, ohne dass er sich Gedanken über die dahinter liegende Komplexität machen muss: »Das erhöht dann auch wesentlich die Verweildauer.«
Beim Wort Verweildauer dürften manche stutzten, denn dieses Wort ist aus dem herkömmlichen Umfeldern im Haushalt – von Energieerzeugung und -nutzung, über die Hausgeräte bis zu den zaghaften Automatisierungsversuchen – bisher eher nicht bekannt. Bekannt ist es vor allem aus der Medienbranche: Wie lange verbringen die Leute damit, Fernsehen zu schauen, die Zeitung zu lesen, Radio zu hören? Diese Verweildauerwerte sind wichtig für den Verkauf der Werbung, also für den geschäftlichen Erfolg der Medienfirmen. Mit der Digitalisierung, dem Zusammenwachsen der Kanäle, ändert sich nicht nur die Medienlandschaft. Traditionelle Methoden, wie und über welche Wege man Waren an die Kunden verkauft, ändern sich derzeit fundamental. Und in dem Maße wie die Digitalisierung ins Haus vordringt, werden sich auch die Geschäftsmodelle der traditionellen Firmen ändern (müssen), die für diese Märkte Haushaltsprodukte entwickeln und vertreiben. Die Verweildauer in Smart-Home-Systemen wird also künftig ein wichtiger Faktor werden, an der sich der Erfolg der Geschäftsmodelle auf Basis der vielen untereinander vernetzten Geräte messen lassen muss.
Hier liegt laut Sirmasac die Chance für die Energieversorger. »Sie müssen entscheiden, auf welchen Ebenen sie mitspielen wollen, in welche neuen Geschäftsbereiche sie entsprechend ihrer jetzigen Stärken, ihrer Größe und Ressourcen vordringen können. RWE beispielsweise ist früh eingestiegen und ist auch viel kritisiert worden, aber das Unternehmen hat sich eine jetzt führende Position verschafft.«
Insgesamt ist er guten Mutes, dass der Smart-Home-Markt jetzt merklich wächst. »Wir spüren bereits, dass die Nachfrage steigt und werden im kommenden Jahr an Projekten beteiligt sein, in denen es bereits um erhebliche Stückzahlen geht.«