Punktuelle Entlastung des Niederspannungsnetzes

Mobile Speicher statt großflächiger Kapazitätsausbau

4. Juni 2014, 13:37 Uhr | Winnijar Kauz, Multi-Contact
Eisbruch mit fatalen Folgen: Falls »Quasi-Inselnetze« verbleiben, die nahezu vollständig vom Gesamtnetz getrennt sind, können mobile Speicher sehr schnell Lastspitzen ausregeln und energieintensive Notstromaggregate in vielen Fällen ersetzen.
© Jörg Sarbach

Mobile Speicherbatterien können das Netz trotz der steigenden Zahl von dezentralen Energieerzeugern stabilisieren. Anschließen lassen sie sich sehr einfach über existierende Einspeisepunkte, die für den Anschluss von Notstromaggregaten gedacht sind.

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Es ist viel los im deutschen Niederspannungsnetz. So kommt der Strom längst nicht mehr nur von einigen wenigen Kraftwerken, sondern wird von einer rasant wachsenden Anzahl dezentraler Quellen eingespeist. Allein die Nennleistung der Photovoltaik-Anlagen in Deutschland übersteigt in der Summe bereits 35 GW. Hinzu kommt die elektrische Energie von Windkraftgeneratoren und Biogasanlagen. Bei einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien werden Netzengpässe nicht zu vermeiden sein – die kleine Energiewende mit großen Folgen. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass diese Engpässe punktuell bzw. saisonal auftreten.

Im Sommer sorgen PV-Anlagen für einen Überschuss, im Winter sind es die Windkraftanlagen, die das Netz an seine Leistungsgrenze bringen – sogenannte negative Regelleistung. Dies verursacht doppelt Kosten: zum einen durch Drosseln oder Abschalten der Anlagen, wenn der Strom nicht verbraucht oder gespeichert werden kann, und zum anderen durch den negativen Strompreis. Was wie ein reiner Wunschtraum vieler Verbraucher klingt, kommt bei überlasteten Netzen zum Tragen. So wurden am ersten Weihnachtsfeiertag 2013 um 4 Uhr für die Stromabnahme 220 Euro pro MWh bezahlt, damit der zu viel produzierte Strom abgenommen wurde. Bis zu 9200 MW wurden ins Ausland transportiert – eine Lösung, die der Bundestag nicht mehr lange aufrechterhalten will.

Beweglich und jederzeit über flexible Leitungen und BV-Steckverbinder mit dem Netz verbunden: Notstromaggregate und mobile Batteriespeicher.
Beweglich und jederzeit über flexible Leitungen und BV-Steckverbinder mit dem Netz verbunden: Notstromaggregate und mobile Batteriespeicher.
© Multi-Contact

Bislang zielen die Lösungsansätze darauf ab, die Netze durch großflächigen Ausbau für die Anforderungen der Kernkraft-freien Zukunft zu rüsten. Als Auslegungsgrundlage für die Netzdimensionierung sind in diesem Fall die maximale Einspeiseleistung und der anzurechnende minimale Verbrauch entscheidend. Experten gehen jedoch davon aus, dass es Jahre dauern wird, bis ein Konsens aller Entscheider gefunden ist und ein solcher Netzausbau umgesetzt werden kann. Batteriespeicher könnten hier eine willkommene Übergangslösung bieten. Schließlich sorgen sie schon jetzt punktuell und zeitlich begrenzt für »Energie on demand« und entlasten die Netze.

Mobile Speicher gleichen Spannungsspitzen und -einbrüche aus

Markus Müller, Marktentwickler beim internationalen Steckverbinder-Hersteller Multi-Contact, hat hierzu einen konzeptionellen Ansatz entwickelt, der sich an Schlüsselpunkten des Niederspannungsnetzes auf eine bereits vorhandene Infrastruktur stützt. So schlägt er vor, mobile Speicherbatterien mit Kapazitäten von 50 bis 250 kWh gezielt an ausgewählten Netzknoten anzuschließen, um Spannungsspitzen wie Spannungseinbrüche auszugleichen. Diese Einspeisepunkte existieren heute schon landauf, landab, um im Ernstfall den Anschluss von Notstromaggregaten zu erlauben. »An den gleichen Punkten besteht die Möglichkeit zum Anschluss von Batteriespeichern zur Entnahme und Rückspeisung von Energie«, fasst Müller seine Intention zusammen.

Sein Lösungsvorschlag lautet darum, mobile Batteriespeicher, ausgelegt als PKW/LKW-Anhänger oder Container, mit flexiblen Leitungen und Steckverbindern an den Netzknoten einzubinden und so das Versorgungsnetz schnell und flexibel zu stabilisieren. Auf diese Weise ließen sich im Handumdrehen bis zu 400 kW im 400-Volt-Netz übertragen. Eine einfache und doch geniale Lösung fand das Deutsche CleanTech Institut (DCTI) und zeichnete Müllers Konzept der mobilen Speicherlösung 2013 als »Innovation pro Energiewende« aus.

Laut DCTI bietet die Lösung einen flexiblen Beitrag zur Gestaltung des Smart Grid. Vorhandene Netze ließen sich auf diese Weise mit den mobilen Speichern problemlos an zukünftige Anforderungen, wie dezentrale Einspeisung oder Bedarfsänderungen durch Zuwachs in Ballungsräumen und Verödung ländlicher Gegenden, anpassen. So wird etwa der entstehende Markt für Elektrofahrzeuge das Netz an den Fernstraßen zeitlich begrenzt überproportional belasten. Mobile Speicher könnten hier in den Ferienzeiten die erforderlichen Energiemengen in den Schwachlastzeiten speichern und in den Stoßzeiten an die Fahrzeuge abgeben.

Die notwendige Infrastruktur dafür, betont Müller noch einmal, »steht heute schon überall im Land zumeist verborgen hinter Stahltüren zur Verfügung. So finden sich Einspeisepunkte, die unter anderem dafür vorbereitet sind, Notstromaggregate anzuschließen, an Kliniken und öffentlichen Einrichtungen. Auch das Bundeskanzleramt verfügt über einen solchen Einspeisepunkt.

Notstromaggregate werden mit flexiblen Leitungen entsprechend großer Querschnitte per Steckverbinder angeschlossen. Als Steckverbinder hat sich bei den Einspeisepunkten die »BV-Serie« von Multi-Contact durchgesetzt. Stattet man auch die Anschlussleitungen der geplanten Batteriespeicher mit den BV-Steckverbindern aus, erleichtert das ihren problemlosen Einsatz. Das größte Modell der Reihe, der »21BV«, ausgelegt für Leitungen mit bis zu 400 mm² Querschnitt, kann Leistungen von bis zu 1 MW (1000 A, 1000 V) übertragen. Doch selbst der Bajonett-Verschluss dieses »Boliden« ist mit einer Hand bedienbar. Sobald der eingebaute Mikroschalter der Steuerung signalisiert, dass die stromführende Verbindung geschlossen ist, kann der Stromtransport beginnen. Das gibt Sicherheit für das Bedienpersonal und vermeidet gefährliche Pannen mit spannungsführenden Teilen. Lastlos ist der Steckverbinder selbst unter Spannung steckbar.

Winnijar Kauz ist Produktmanager bei Multi-Contact.


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