Das Ladesystem erkennt z.B. durch RFID, ob sich ein zu ladendes Fahrzeug über der Ladespule befindet und startet erst dann den Ladevorgang, um Gefährdungen für die Umgebung zu reduzieren. Objekte über der Ladespule, wie Tiere, Körperteile eines Menschen oder Metalle, können durch Sensoren in der Sendeeinheit oder im Fahrzeug erkannt werden und führen zur Abschaltung des Ladevorgangs. Dies ist notwendig, weil direkt über der Ladespule die Magnetfelder extrem hoch sind und dementsprechend bei einer langen Exposition gefährlich sein können.
Ob diese Sicherheitsmaßnahmen redundant abgesichert werden, wie im Bereich der funktionalen Sicherheit, ist bisher noch nicht bekannt. Weitere mögliche Maßnahmen können die Verringerung der Reichweite der Magnetfeldstärke durch eine spezielle Konstruktion der Sendespule sowie die Abschirmung von Sende- und Empfangsspule sein. Der Gefahrenbereich könnte sich mit solchen Maßnahmen auf den Bereich direkt zwischen Sendespule und Empfangsspule reduzieren lassen.
Das simulierte Magnetfeld einer Spulenanordnung zur induktiven kontaktlosen Energieübertragung – d = 80 cm, I = 100 A, f = 85 kHz, Luftspalt = 10 cm – mit CST-Studio ohne Schirmungsmaßnahmen zeigt Bild 2. Die Ladeleistung bei dieser Simulation beträgt in etwa 100 kW.
Im roten Bereich – innerhalb der Spule und bis ca. 30 cm über der Spule – beträgt die magnetische Feldstärke etwa 1000 A/m und die magnetische Flussdichte 1257 µT. Selbst in 1,4 m Abstand über der Spule bzw. 70 cm seitlich zur Spule beträgt die magnetische Feldstärke noch etwa 30 A/m und die magnetische Flussdichte 37,7 µT. Implantate können in diesem Bereich schon stark beeinflusst werden.
Bild 3 verdeutlicht die Wirkung einer einseitigen Schirmung. Nach unten hin ist das Magnetfeld durch eine 3 mm dicke Aluminiumplatte abgeschirmt. Seitlich zu den Spulen wirkt keine Schirmung, die Magnetfelder sind dort gut erkennbar. Durch eine Kappenschirmung würden die Spulen wesentlich besser nach allen Seiten hin abgeschirmt.
Eine deutliche Magnetfeldreduzierung durch zwei 3 mm Aluminiumplatten zeigt die Simulation in Bild 4. Die Aluminiumplatten sind in diesem Beispiel 25 cm ober- und unterhalb der Spulen angebracht. Außerhalb der Schirmung ist die Magnetfeldstärke unterhalb der geforderten Grenzwerte (Tabelle 1).
Zum Schutz von Menschen vor der Wirkung von elektromagnetischen Feldern (EMF), werden Felder nur an den Stellen vermessen, wo sich ein Mensch aufhalten kann. Bereiche, in denen sich ein Mensch nicht aufhalten kann, werden bei diesen Messungen nicht berücksichtigt. Die Magnetfeldstärke wird dabei isotropisch – in drei Achsen – erfasst. Die Messspule muss dabei eine Messfläche von 100 cm² aufweisen.
Da die zulässigen Grenzwerte frequenzabhängig sind, gehört zur korrekten Messung stets noch die Frequenz des Störfeldes. Modulierte oder pulsierende Magnetfelder enthalten zusätzlich Oberwellen. Sie sollten deshalb auch in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden.
Ein typischer Messaufbau könnte aus einer isotropen Messsonde bestehen sowie einer kalibrierten Magnetfeldspule, die mit einem Spektrumanalysator verbunden ist. Spezielle 3D-Magnetfeld-Spektrumanalysatoren können auch verwendet werden. Generell zu beachten ist dabei, dass die verwendete Messtechnik auch für hohe Feldstärken im mT-Bereich geeignet ist und der Frequenzbereich alle Störfrequenzen erfasst.
Typische Messhöhen wären z.B. 20 cm, 45 cm, 90 cm und 155 cm über dem Boden oder überall dort, wo sich Implantate im menschlichen Körper befinden könnten. Durch zusätzliches Schwenken der Messsonde lassen sich die Maxima besser finden und über die Hold-Max-Funktion können die maximal auftretenden Feldstärken leicht erfasst werden. Diese Messungen sollten mehrfach wiederholt werden, um eine Verfälschung durch kurzzeitig auftretende Störsignale (Transienten) auszuschließen.
Eine Risikoanalyse ist auch im EMF-Bereich anwendbar oder kann mit der EMV kombiniert werden. Die festgelegten EMF-Grenzwerte (Tabelle 1) sind bei einer Risikoanalyse zu beachten.
Für eine Risikoanalyse müssen Entwickler die Anforderungen der EMV-Richtlinie 2014/30/EU [7], der Funkanlagen-Richtlinie 2014/53/EU (RED) [8] und der DIN-EN IEC 61000-6-7 [9] berücksichtigen. Das Ziel einer EMV-Risikoanalyse ist es, im Vorfeld einer Entwicklung alle möglichen Störbeeinflussungen zu erkennen und zu minimieren.
Eine EMV-Risikoanalyse beschreibt zuerst die Störquellen und deren mögliche Wirkungen auf andere Komponenten in einem System von Anlagen und Maschinen sowie einzelnen Teilsystemen mit dem Risiko einer Störbeeinflussung wie z.B. Fehlfunktionen, Ausfälle oder Zerstörung. Anschließend werden die Maßnahmen beschrieben, wie dieses Risiko minimiert bzw. abgestellt werden kann. Zusätzlich kann das Risiko noch mit verschiedenen Stufen, wie »gering«, »mittelmäßig«, »stark« und »extrem stark«, bewertet werden. Im BMAS Forschungsbericht 451 [2] sind Schwellenwerte und Auslöseschwellen für passive und aktive Implantate definiert, die für Implantat-Träger in der Risikoanalyse berücksichtigt werden sollten.
Einen möglichen Ansatz für eine EMV-Risikoanalyse zeigt Tabelle 2. Als Hilfestellungen für die EMV-Risikoanalyse können folgende Angaben verwendet werden:
Die Risiken bezüglich starker Magnetfelder, die beim induktiven Laden erzeugt werden, können durch Schirmungsmaßnahmen, Sicherheitssysteme (Personenerkennung, Fehlerüberwachung, sichere Abschaltung) und Warnhinweise stark reduziert werden.
Durch weitere Forschungsarbeiten im Bereich der Bioelektrizität, Biomagnetismus und der Störbeeinflussung von aktiven Implantaten können weitere Erkenntnisse gewonnen werden, die dazu beitragen, das induktive Laden von Fahrzeugen sicher zu gestalten.
Ob sich induktive Ladesysteme im kW-Bereich für Elektrofahrzeuge durchsetzen werden, kann zurzeit aber nur schwer eingeschätzt werden – aufgrund der hohen Kosten und des hohen Installationsaufwandes.
Literatur
[1] Brüggemeyer, H.; et al.: Leitfaden „Nichtionisierende Strahlung“, Elektromagnetische Felder. Fachverband für Strahlenschutz e.V., 25. Februar 2005, www.fs-ev.org/fileadmin/user_upload/04_Arbeitsgruppen/08_Nichtionisierende_Strahlung/02_Dokumente/Leitfaeden/FS_05_135_AKNIR_2005_06_Leitfaden_EMF.pdf
[2] Heinrich, H.; Börner, F.: Elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz – Sicherheit von Beschäftigten mit aktiven und passiven Körperhilfsmitteln bei Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Forschungsbericht 451, Januar 2015, ISSN 0174-4992, www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/forschungsbericht-f451.pdf;jsessionid=B1DEEEC8A402C483DF6623DB5D792A36?__blob=publicationFile&v=2
[3] DGUV Vorschrift 15, Unfallverhütungsvorschrift Elektromagnetische Felder. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 1. Juni 2001, http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/vorschrift15.pdf
[4] Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2013/35/EU und zur Änderung von
Arbeitsschutzverordnungen. Bundesgesetzblatt, 2016, Teil 1 Nr. 54, S. 2531–2548, www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl116s2531.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl116s2531.pdf%27%5D__1531329226734
[5] Richtlinie 2013/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (elektromagnetische Felder). Amtsblatt der Europäischen Union, L 179, S. 1–21, 29. Juni 2013, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013L0035
[6] Sechsundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder – 26. BimSchV), 16. Dezember 1996, http://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_26/26._BImSchV.pdf
[7] Richtlinie 2014/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit. Amtsblatt der Europäischen Union, L 96, S. 79–106, 29. März 2014, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0030
[8] Richtlinie 2014/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/5/EG. Amtsblatt der Europäischen Union, L 153, S. 62– 106, 22. Mai 2014, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32014L0053
[9] DIN EN 61000-6-7:2015-12; VDE 0839-6-7:2015-12: Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 6-7: Fachgrundnormen – Störfestigkeitsanforderungen an Geräte und Einrichtungen, die zur Durchführung von Funktionen in sicherheitsbezogenen Systemen (funktionale Sicherheit) an industriellen Standorten vorgesehen sind (IEC 61000-6-7:2014).
[10] Chun, T. R.; Chris, M.: Wireless Power Transfer for Electric Vehicles and Mobile Devices. Wiley-IEEE Press, August 2017, ISBN 978-1-119-32905-3.
Der Autor
Werner Grommes
arbeitet beim Institut für Arbeitsschutz (IFA) als Prüf¬ingenieur für funktionale Sicherheit nach IEC 61508 und DIN EN ISO 13849 für Antriebssteuerungen. Seit Dezember 2005 ist er für Baumusterprüfungen und Zertifizierungen nach Maschinenrichtlinie und funktionaler Sicherheit (DIN EN ISO 13849, IEC 61508) zuständig. Als EMV-Sachgebietsleiter führt er EMV-Bewertungen und EMV-Prüfungen durch und ist in EMV-Normungsgremien (IEC 61000-1-2, IEC 61000-6-7, ISO 13766-1 und -2) aktiv. Zuvor war Grommes in der Entwicklung von IR-Mehrkanal-Tonübertragungsanlagen (Sender, Strahler, Superhet-Empfänger) tätig und beschäftigte sich auch mit den EMV-Prüfungen sowie der Abhörsicherheit der Anlagen.
Werner.Grommes@dguv.de