Zwei Kondensator-Technologien im Vergleich

„Das Bessere ist des Guten Feind“

15. Dezember 2006, 11:31 Uhr | Volker Wischnat
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

„Das Bessere ist des Guten Feind“

Die Durchbruchspannung von Tantal-Kondensatoren liegt dagegen nur beim 1,5- bis 4-fachen ihrer Nennspannung. Wegen ihres nur wenige Hundert Nanometer dicken Dielektrikums können Tantal-Kondensatoren bereits bei geringer Überschreitung der spezifizierten maximalen Betriebsspannung (beispielsweise 1,3 x UR) zerstört werden. Zudem nimmt ihre Gleichspannungsfestigkeit mit der Temperatur ab. Daher gelten für höhere Umgebungstemperaturen (zum Beispiel oberhalb 85 °C) deutlich kleinere Maximalwerte für die zulässige Spannungsbelastbarkeit.

Somit sind Keramik-Kondensatoren im Allgemeinen robuster gegenüber Spannungsbelastungen als Tantal-Kondensatoren. Im Besonderen gilt dies für Störimpulse und transiente Belastungen, denn hier kommen neben der hohen Spannungsfestigkeit auch die geringeren dielektrischen Verluste der MLCC zum Tragen.

Keramik-Kondensatoren werden in die Klassen I und II eingeteilt. Für den Vergleich mit Tantal-Kondensatoren können jedoch nur MLCC der Klasse II herangezogen werden, weil nur mit diesen entsprechend hohe Kapazitätswerte erreichbar sind. Keramik-Kondensatoren der Klasse II weisen jedoch im Gegensatz zu Tantal-Kondensatoren eine Spannungsabhängigkeit ihrer Kapazität auf.

Die spezifizierten Kapazitätswerte von MLCC beziehen sich auf eine bestimmte Messspannung, üblicherweise 1 V mit einer Frequenz von 1 kHz. Wird dieser Spannung eine Gleichspannung überlagert, so nimmt der effektive und messbare Kapazitätswert von Klasse-II-Kondensatoren ab. Dieser Effekt wird als DC-Bias bezeichnet und kann unterschiedlich stark ausfallen.

Vor allem sehr hochkapazitive Keramik-Kondensatoren weisen eine extreme Spannungsabhängigkeit auf, weil hier sehr dünne Dielektrikumsschichten verwendet werden. MLCC mit geringerer Kapazität oder höherer Nennspannung zeichnen sich dagegen durch geringere Spannungsabhängigkeiten aus. Bei der Auswahl von MLCC sollte daher stets der Kapazitätswert bei der tatsächlichen Anwendungsspannung betrachtet werden (Bild 8). Oft können auf diese Weise mit Kondensatoren kleinerer Nennkapazität – aber geringerem DC-Bias – bessere Resultate erzielt werden.

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Bild 8. Spannungsabhängigkeit von 1-µF-MLCC in verschiedenen Bauformen und Spannungsklassen.

Temperaturabhängigkeit der Kondensatortechnologien

Sowohl Tantal- als auch Keramik-Kondensatoren der Klasse II weisen eine Temperaturabhängigkeit ihrer Kapazität auf. Bei Ersteren ist der Temperaturkoeffizient positiv, die maximale Kapazitätsänderung bis 125 °C beträgt zirka +10 bis +20 %. Bei MLCC dagegen liegt keine lineare Temperaturabhängigkeit vor. Man unterscheidet hier zwischen X5R- und X7R-Kondensatoren, deren maximale Kapazitätsänderung mit ±15 % bis 125 °C (X7R) beziehungsweise bis 85 °C (X5R) spezifiziert ist. In der Praxis wird bei MLCC jedoch nur das untere Toleranzband ausgenutzt, so dass die Kapazität mit zunehmender Temperatur abnimmt.

Zuverlässigkeit und Verarbeitbarkeit

Gegenüber Tantal-Kondensatoren lassen sich mit MLCC höhere Zuverlässigkeitswerte erreichen. Die Gründe dafür sind:

  • höhere Spannungsfestigkeit,
  • einfacher Gesamtaufbau,
  • stabileres Dielektrikum,
  • geringe Empfindlichkeit gegenüber Feuchte.

Eine absolute Vergleichbarkeit der Zuverlässigkeit ist jedoch nur bedingt möglich. Am ehesten lassen sich Ausfallraten bei typischen Anwendungen zum Vergleich heranziehen. MLCC etwa liegen in der Größenordnung von 0,001 bis 0,002 ppm, während Ta-Kondensatoren mit einer Ausfallrate von 0,1 ppm doch um Größenordnungen darüber angesiedelt sind.

Voraussetzung zum Erreichen hoher Zuverlässigkeit in der Anwendung ist eine einwandfreie Verarbeitbarkeit beim Bestücken und Löten. Keramik-Kondensatoren weisen eine hohe Lötwärme- und Lötschock-Beständigkeit auf. Durch den symmetrischen Aufbau und immer bessere Anpassung der Ausdehnungskoeffizienten von Elektrode und Keramik sowie die Entwicklung sehr dichter Keramik konnten sehr geringe Fehlerraten bei allen gängigen Lötverfahren erreicht werden. Alle Keramik-Kondensatoren von Epcos sind zudem für bleifreies Löten geeignet. Bei Tantal-Kondensatoren begrenzen dagegen die verschiedenen, konstruktionsbedingten Materialkombinationen mit ihren unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten die maximal anwendbare Löttemperatur.

Beim Bestücken von Keramik-Kondensatoren und der anschließenden Verwendung der bestückten Platine wiederum ist unbedingt darauf zu achten, dass mechanische Belastungen – vor allem Biegekräfte auf die Platine – so gering wie möglich gehalten werden. Keramik-Kondensatoren sind spröde und können bei Biegebelastung brechen.

Biegebrüche sind elektrisch oft nicht sofort erkennbar und fallen erst im Betrieb auf. Bei Beachtung der Verarbeitungsempfehlungen lassen sie sich jedoch vermeiden. In Anwendungen, in denen der Kurzschluss eines Kondensators hohe Folgeschäden verursachen würde, sollten zudem eine Serienschaltung zweier Kondensatoren oder spezielle Kondensatoren mit innerer Serienschaltung (MLSC) in Betracht gezogen werden.

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Bild 9. Erwärmung verschiedener Kondensatortypen bei Wechselstrombelastung.

Strombelastbarkeit als Substitutionskriterium

Bei der Anwendung von Kondensatoren zum Glätten von Spannungen fließen Stromspitzen durch das Bauelement. Infolgedessen erwärmt sich der Kondensator, wobei die Erwärmung äquivalent zur Höhe seiner ohmschen Verluste, also seinem ESR zunimmt. Die als Wärme abgeführte Leistung P ergibt sich aus P = I2 x ESR.

Da Keramik-Kondensatoren einen sehr niedrigen ESR-Wert aufweisen, ist hier die Temperaturänderung am Bauelement viel niedriger als bei Tantal-Kondensatoren (Bild 9).

Volker Wischnat geboren 1967 in Leipzig, arbeitet seit 1993 als Gruppenleiter in der Entwicklungsabteilung für Keramische Bauelemente bei der Epcos OHG in Deutschlandsberg.
volker.wischnat@epcos.com


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  3. Elektrische Eigenschaften von Kondensatoren

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