Bei der Ruhespannungsmethode wird die Tatsache genutzt, dass für Bleiakkus und die meisten Li-Ionen-Akkus die Zuordnung f : U0 → SOC(U0) in guter Näherung injektiv ist - also streng monoton (Bild 2). Für die Aufnahme der Ruhespannungskennlinie wird ausgehend von einem Referenzpunkt, z.B. der vollgeladene Zustand SOC = 1, der Akku schrittweise um eine vorgegebene Ladungsmenge ∆q entladen. Dabei ist nach jedem Entladeschritt ∆q eine geeignete Wartezeit im Leerlauf einzuhalten, damit sich die Ruhespannung U0 am Akku einstellen kann.
Nach Erreichen von U0 befindet sich das elektrochemische System im sogenannten dynamischen Gleichgewicht, auch relaxierter Zustand genannt. In diesem insbesondere stromlosen Zustand haben sich alle durch eine vorangegangene (Ent-) Ladung herrührenden Überspannungen abgebaut.
Die schrittweise Entladung mit den entsprechenden Relaxationszeiten wird solange ausgeführt, bis der Speicher vollständig entladen ist (SOC = 0). Sodann beginnt das gleiche Spiel in die entgegengesetzte Richtung - wiederum so lange, bis der Speicher vollständig aufgeladen ist (SOC = 1). Das Resultat einer solchen Messung ist die in den Bildern 3, 4 und 5 dargestellte sogenannte Ruhespannungshysterese.
Ein Vorteil der Ruhespannungsmethode ist, dass die Ruhespannungskennlinie U0(SOC) im Labor relativ einfach gemessen werden kann und als Tabelle (Look-up Table) in einem Batteriemanagementsystem sehr leicht zu implementieren ist. Bei Bleiakkus kann die Temperaturabhängigkeit dU0/dt mit ca. 2 × 10−4 V/K vernachlässigt werden. In einigen Anwendungen, z.B. Hybridfahrzeugen (Hybrid Electric Vehicle, HEV), ist eine lineare Approximation der Ruhespannungskennlinie aufgrund des eingeschränkten SOC-Bereiches von ca. 30 % bis 70 % ausreichend [2].
Allerdings erfordert die präzise Aufnahme einer Ruhespannungskennlinie Zeit und ein in der Praxis oftmals unterschätztes experimentelles Geschick. Denn das elektrochemische System braucht eine gewisse Zeit, um in den relaxierten Zustand zu gelangen, und diese Zeitspanne ist auch noch vom Ladezustand und der Temperatur abhängig. Die Ruhespannung U0 stellt sich, je nach Art der Li-Ionen-Zelle, nach 2 h bis 24 h ein. Bei Bleiakkus kann es sogar mehrere Tage dauern. Die Aufnahme einer vollständigen Ruhespannungshysterese mit Lade- und Entladeast der U0(SOC)-Kurve kann bis zu sechs, acht Wochen in Anspruch nehmen.
Nachteilig ist auch, dass die Ruhespannungsmethode nur in den seltensten Fällen direkt angewendet werden kann, da sich die notwendigen Relexationszeiten im regulären Betrieb nicht herstellen lassen. Deshalb sind zur U0-Schätzung andere Verfahren, beispielsweise modellbasierte Methoden, heranzuziehen (siehe Abschnitt: „Impedanz-basierende Methoden“).
Plateaus in U0(SOC)-Graphen begrenzen die Genauigkeit der SOC-Bestimmung, wie Bild 4 verdeutlicht. Insbesondere ist die Ruhespannungsmethode nicht anwendbar bei Zellen mit: flacher U0(SOC)-Kennlinie oder ausgeprägter Hysterese, z.B. NiMH, LFP/C (Bild 2). In diesen Fällen muss auf gänzlich andere bzw. ergänzende Methoden zurückgegriffen werden.
Eine häufig in der Literatur anzutreffende implizite Annahme ist, dass die Ruhespannungskennlinie nicht von der Alterung des Speichers anhängt. Dies trifft jedoch weder für Blei- noch für Li-Ionen-Akkus zu, wie in [3] gezeigt wurde. Bei LFP/LTO-Zellen ändert sich die Ruhespannung bis auf Rand-SOCs nur um wenige mV; die U0(SOCp)-Kennlinie - in Abhängigkeit vom praktischen Ladezustand - verläuft flach (Bild 5). Je nach Hersteller der LFP/LTO-Zellen variiert der Verlauf aber in Details. Bei dem in Bild 5 dargestellten Graphen liegt die Schwankung ∆U0 bei ca. 5 mV für 5 % ≤ SOCp ≤ 95 %. Bei LFP/LTO-Zellen eines anderen Herstellers wurde eine Schwankung ∆U0 von ca. 20 mV ermittelt. Die auf der Ruhespannung U0 basierende Ladezustandsbestimmung ist somit für LFP/LTO-Akkus nicht geeignet.
Innenwiderstandsmessung
Ausgehend von der bei Quellen üblichen ∆U/∆I-Methode zur Bestimmung des Innenwiderstandes wird der Gleichstrominnenwiderstand RDC∆t eines Akkus zum Zeitintervall ∆t := t2 − t1 definiert als:
mit t2 > t1.
Der Innenwiderstand Ri berechnet sich demnach aus der Differenz der Spannungsantwort auf eine Stromstufe der Betrachtungslänge ∆t. Typisch sind dabei Zeitintervalle im ms- oder s-Bereich. Der ohmsche Innenwiderstand ergibt sich aus dem Grenzprozess:
Wie bei der Ruhespannungsmethode wird auch hier nach einem nicht-trivialen Zusammenhang RiΩ " SOC(Ri) gesucht, wie dies z.B. bei Bleiakkus in Bild 6 dargestellt ist.
Zur Berechnung des Innenwiderstandes wird nur ein trivialer Algorithmus benötigt, so dass dieses Verfahren zur Ladezustandsermittlung sehr einfach in Ladeschaltungen und Akkumanagementsysteme implementiert werden kann. Eine gute Approximation des ohmschen Innenwiderstandes für Blei- und viele Li-Ionen-Akkus ist mit einem Intervall ∆t von ca. 0,2 ms bis 1 ms erzielbar, was für die heutigen Mikrocontroller in puncto Rechenleistung keine Herausforderung ist.
Bei Bleiakkus und einigen Li-Ionen-Akkus kann der ohmsche Innenwiderstand als Maß für die Alterung mit herangezogen werden. Wie aus Bild 6 hervorgeht, ist der Innenwiderstand von Bleiakkus für kleine bis mittlere Ladezustände ein guter SOC-Indikator.
Jedoch ist die gleichsam asymptotische Entwicklung in der SOC-RiΩ-Charakteristik für SOC "100 % der Grund, weshalb der ohmsche Innenwiderstand eines Bleiakkus kein guter SOC-Indikator im Bereich mittlerer bis hoher Ladezustände ist. Für die gängigen Li-Ionen-Zellen ist RiΩ wenig SOC-sensitiv.
Die relative Ri-Änderung bezogen auf SOC = 100 % beträgt beispielsweise bei der Hochenergie-Li-Ionen-Zelle aus Bild 3 über den gesamten SOC-Bereich weniger als 6 %. Für eine LFP/LTO-Zelle ergibt sich für den auf SOC = 100 % normierten Innenwiderstand RiΩ sogar nur eine Zunahme von weniger als 2,5 % (Bild 7). Damit eignet sich der ohmsche Innenwiderstand RiΩ nicht zur SOC-Bestimmung an LFP/LTO-Zellen.